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Das Glück in deiner Hand (Teil 1)

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Ein Artikel über Smartphones? Oh nein, warum denn das? Ich schaue keine Pornos, zocke nicht stundenlang Gewaltspiele oder sammle Flammen auf Snapchat – also ist dieser Artikel wohl nichts für mich. Am besten blättere ich weiter …

Na, habe ich deinen Gedankengang erraten? Aber halt mal, so einfach kommst du hier nicht weg! Dieser Artikel richtet sich nämlich an jeden KJBler, der ein Smartphone benutzt oder im näheren Umfeld damit Kontakt hat.

Ich lade dich ein, mit einzutauchen in die Welt der unerwünschten Nebenwirkungen des Smartphones. Dabei ermutige ich dich, beim Lesen dieses Artikels ganz ehrlich mit dir selbst zu sein, weil ich glaube, dass wir KJBler es uns selbst, der Gesellschaft und den kommenden Generationen schuldig sind, gute Vorbilder im Medienumgang zu sein, beziehungsweise zu werden. Und nicht zuletzt verlangt Gott ausdrücklich von uns, dass wir jeden Aspekt unseres Lebens auf ihn hinordnen. Hat nicht der heilige Paulus in einem seiner Briefe die Thessalonicher aufgefordert: „Prüfet alles, das Gute behaltet “ (1 Thess 5,21)? Dieser Aufruf ist auch heute immer noch aktuell und das Smartphone, das mittlerweile eine so große Rolle in unser aller Leben spielt, dürfen wir von dieser Prüfung nicht ausschließen. Betrachte das ganze einmal nüchtern und wäge die Vor- mit den Nachteilen ab. Die Vorteile lassen wir in diesem Artikel der Einfachheit halber einfach unter den Tisch fallen. Das soll selbstverständlich nicht bedeuten, dass ein Smartphone an sich schlecht ist. Das ist es nicht und kann es gar nicht sein, genauso wie ein Auto an sich nicht schlecht ist, solange man es richtig zu nutzen weiß.

1. Aspekt: Gut genutzte Zeit? – „Erkaufet die Zeit“ (Kol 4,5)

Im November 2007 kam das erste iPhone auf den Markt und in den vergangenen 12 Jahren sind uns Smartphones, diese Alltagshelfer, so sehr ans Herz gewachsen, dass wir sie nicht mehr wegdenken können. Vielleicht hast du schon einmal eine Nutzungsdauer-App auf deinem Gerät installiert und dich am Abend erstaunt gefragt: „Was, ich war heute über 1,5 Stunden am Handy?! Wow, das ist ja so lange wie ein Kinofilm!“ oder „Ich habe das Handy über 70mal entsperrt?!“ Da kommt man schnell ins Grübeln und fragt sich zurecht: Brauche ich mein Handy wirklich so oft?

Was ist das Erste, das du morgens nach dem Aufwachen machst? Ein ordentliches Morgengebet, richtig? Oder geht es dir wie 51% der Deutschen, die sich in der ersten Viertelstunde nach dem Aufwachen mit ihrem Handy beschäftigen? Etwa jeder fünfte Teenager wacht sogar nachts  aus dem Schlaf auf, um sein Handy auf neue Nachrichten zu checke1. Ein durchschnittlicher Smartphone-Nutzer hat dieses am Werktag für 152 Minuten  (das sind 2,5 Stunden!) und am Wochenende für 202 Minuten in der Hand und nutzt es meist für soziale Medien – am Werktag über 71 Minuten und am Wochenende 99 Minuten2 lang. Entsperren tun wir es ca. 80 mal am Tag – das sind etwa alle 12 Minuten unserer wach verbrachten Zeit.3 Wow, stell dir mal vor, du würdest so oft an Gott denken  – dein Heiligenschein würde ja kaum mehr durch die Türen passen!

Nach diesen Zahlen überrascht es uns nicht mehr, dass laut einer aktuellen Studie 2,5 Millionen Deutsche als problematische Internetnutzer4 gelten, was der Bevölkerung von München und Köln zusammengenommen entspricht. Nun ist es aber nicht so, dass diese Menschen isoliert in zwei Städten wohnen, sondern mitten unter uns sind.

Ca. 1 000 Stunden im Jahr5 sind wir mit unserem Handy beschäftigt (vgl.: ca. 600Std/Jahr verbringen wir mit unseren Freunden6) und damit stellt sich uns eine grundlegende Frage: Ist das gerechtfertigt?

Diese Frage sollten wir uns nicht nur theoretisch, sondern ganz konkret stellen. Hierfür empfiehlt es sich, jetzt und auch bei den nachfolgenden Aspekten, Stift und Papier zur Hand zu nehmen und dein Nutzungsverhalten aufzudröseln. Wie viel Zeit würdest du im Idealfall für welche App opfern? Wie sieht das im Realitätscheck aus? Wofür haben die Generationen vor uns diese Zeit verwendet? Stell dir mal vor, wie viele Jugendliche rund um uns herum so sehr an ihrem Handy hängen, dass sie gar nicht merken, dass sie eigentlich sehr gesegnete Profisportler, Gedichteschreiber, Hobby-Imker oder talentierte Musiker  wären! Wie muss es Gott schmerzen, wenn er sieht, wie wir teilweise unsere Zeit und Talente so vergeuden!

Ich möchte dich noch auf einen etwas extremen, aber sehr wichtigen Gedankengang einladen: Wie viel Zeit würdest du heute an deinem Handy verbringen wollen, wenn du wüsstest, dass du morgen früh nicht mehr aufwachst und dich stattdessen vor Gottes Thron wiederfindest? O wie anders würden wie so vieles in unserem Leben betrachten, wenn wir uns öfters in diesen Gedanken hineinversetzen würden?

2. Aspekt: Digitale Gesellschaft – Welche Vorbilder sind wir?

Jetzt kommt der zugegeben etwas ironische Moment in diesem Artikel, indem ich dich bitte, dein Smartphone doch einmal kurz zur Hand zu nehmen, aber nur für weniger als 5 Minuten. Ich empfehle dir, auf YouTube nach dem Video „Look up“ von Gary Turk (dt. Untertitel vorhanden) zu suchen. In diesem Video bringt er ziemlich gut auf den Punkt, wie frustrierend das Leben in unserer technologisierten Gesellschaft manchmal sein kann. Natürlich fällt uns dies nicht jeden Tag so krass auf, aber wenn wir einmal mit offenen Augen durch unser Umfeld gehen, bemerken wir erst, wie komisch es ist, dass kein Jugendlicher mehr ein Buch fürs Wartezimmer beim Arzt mitnimmt, oder wie im Zugabteil manchmal eine gruselige Stille herrscht – und mal ehrlich, oft haben wir gar nichts am Handy zu erledigen und benutzen es nur als eine Art soziales Schutzschild.

Bei Kindern  sorgt die Digitalisierung für eine zunehmende Entwurzelung von der Natur. Laut einer britischen Studie aus dem Jahr 2008  erkennt jedes dritte Kind eine Elster nicht und die Hälfte der Kinder kann eine Wespe nicht von einer Biene unterscheiden7. Was ein „Dalek“8 ist, wussten aber wiederum 9 von 10 Kindern. Forscher haben auch herausgefunden, dass Jugendliche umso weniger Empathie entwickeln, je mehr Zeit sie täglich vor Bildschirmen verbringen.9 Und wer mit 13 Jahren mehr als 3 Stunden täglich auf Facebook unterwegs ist, hat mit Erreichen der Volljährigkeit das Risiko, eine Depression zu entwickeln, verdoppelt.10

Aber auch auf die Eltern, und damit die Kindererziehung, wirkt sich das Smartphone aus: Je gestresster Eltern sich fühlen, desto mehr wenden sie sich vom Kind ab und dem Handy zu.11 Dass dieses Verhalten langfristig zu Erziehungsproblemen und Frustration vonseiten der Kinder führt, ist vorauszusehen. So hat z. B. der siebenjährige Emil im Jahr 2018 eine Demo gegen die Handysucht von Eltern ins Leben gerufen.12

3. Aspekt – Likes auf Facebook – Freundschaft im Handyzeitalter

Auch in unseren Freundschaften spüren wir den Handy-Einfluss deutlich. Das fängt bei WhatsApp-Diskussionen an, wenn der andere das Geschriebene falsch verstanden hat oder ungefragt die getextete Liebeserklärung an die beste Freundin weitergeleitet wurde. Hier gilt es besonders zu bedenken, dass ein ungefragtes Weiterleiten manchmal an üble Nachrede grenzt. Auch sonst tippen wir oft schon, bevor wir überhaupt in Ruhe über etwas nachgedacht haben, geschweige denn, es im Gebet vor Gott getragen haben. Und dann wiegt es deutlich schwerer als ein gesagtes Wort, weil es eben für alle Zeiten geschrieben steht. Eine böse Nachricht lässt sich nur schwer rückgängig machen. Und dann ist da noch das Problem des Lästerns und Bewertens, das wir von Facebook und Co. mit den Like-Buttons gewöhnt sind, welches wir in der realen Welt dann mitunter nur schwer ablegen können, weil wir mit dem Kopf noch voll im Kommentiermodus sind. Wir als Christen müssen uns besonders bewusst sein, was das mit uns macht!

Einige Gruppenleiter und Priester zeigen sich zudem enttäuscht von der Unverbindlichkeit, welche durch WhatsApp und Co. auch in der KJB entsteht. Oft kommen Absagen gar nicht oder kurz vor Gruppenstundenbeginn – dabei ist es doch heutzutage viel einfacher, sich zurückzumelden als früher, wo man noch zum Telefonhörer greifen musste. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in eine Mentalität des „Ich schau mal, ob noch was Besseres dazwischenkommt … “ abrutschen! Wenn du mir heute sagst, wir machen Freitagabend was, haben wir dann eine feste Verabredung oder sind wir das Backup füreinander, falls nichts Spannenderes geboten wird?

Wenn wir uns dann mit unseren Freunden treffen , haben wir uns dank Story, Status, Sprachnachricht und Snapchat oft gar keine Neuigkeiten mehr zu erzählen. Wann hast du dir zuletzt über eine Woche lang etwas gemerkt, weil du es den Freunden beim nächsten Treffen unbedingt mitteilen wolltest? Wenn du schon einmal eine Fastenzeit lang ohne Handy gelebt hast, ist dir dieser Unterschied vielleicht aufgefallen. Dass Texten, während man sich gerade mit Freunden unterhält, eine unhöfliche Unart ist, ist mittlerweile allbekannt: „(Es scheint) kaum eine Rolle zu spielen, in welcher Situation ich meine Mitmenschen zurücklasse. Ein gemeinsames Frühstück, ein intensives Gespräch, ein Abend aneinandergekuschelt auf dem Sofa – der Moment im Jetzt wird geopfert.“13 Platt gesagt bringt das folgendes zum Ausdruck: „Personen, die weit weg sind, haben eine sofortige Reaktion verdient, wer hier direkt neben mir sitzt, kann warten.“14 Im Straßenverkehr kann das blinkende Handy oft auch nicht warten, und so ist Handynutzung im Auto unter jüngeren Nutzern mittlerweile die häufigste Unfallursache.15

Tja, würden Facebook und Co.    oder ein TÜV-Siegel in Hinsicht ihrer psychischen Auswirkung und Unbedenklichkeit bekommen, dann würde es uns vielleicht nicht so sehr überraschen, wenn wir lesen, dass Forscher feststellten: Je mehr Facebook, (für andere Soziale Medien gilt das bestimmt in ähnlicher Weise) desto unglücklicher – denn wir faken uns gegenseitig das perfekte Leben vor.16

4. Aspekt – Kreativität vs. Konsum

Auch für unsere Kreativität ist der steigende Medienkonsum nicht gerade förderlich. Im Buch Digitale Depression bringen die Autoren Diefenbach und Ullrich es mit dem folgenden Zitat sehr gut auf den Punkt: „Kreativität verlangt mehr Energie (Anm. d. A. als Handykonsum). Dafür passiert es einem auch nicht so leicht, dass man Energie in etwas steckt, ohne es zu merken oder ohne sich zu fragen, ob man das gerade tun will. Wer kreativ tätig ist, tut das bewusst. Es passiert selten, dass man ein Kunstwerk vollendet oder eine Torte backt und am Ende feststellt: Warum habe ich das eigentlich getan, das war doch reine Zeitverschwendung. Aber drei Stunden im Internet surfen, ohne dass sich das Gefühl einstellt, gerade etwas zu tun, das man wirklich tun will – das geht ganz leicht.“17 Oder kennst du das Gefühl, dass dein Handy dich schon gefangen nimmt, bevor du dir Gedanken machen konntest, was du als Nächstes tun willst?

Unser Smartphone macht unser Leben smarter, ohne Zweifel. Aber macht es auch uns smarter? Da wäre zum einen der Punkt der Orientierung. Mit Google Maps kommen wir zwar in der Regel überall an das korrekte Ziel – aber oft verlieren wir den Blick für die Umwelt, gewinnen nicht an Orientierungsfähigkeit und enthalten uns dem Erfolgsgefühl, ohne Navi den Weg gefunden  zu haben. Die Stau-Warn-App zeigt uns die beste Umfahrung und die Wetter-App hilft uns bei der Outfitwahl für den nächsten Tag. Doch sobald wir einmal kein Handy dabei haben, werden wir plötzlich von einem Regenguss überrascht, weil wir im Gegensatz zu unseren Urgroßeltern nicht mehr wissen, wie man an der Form und Art der Wolken das kommende Wetter bestimmen kann. Wir sollten anfangen uns zu fragen, ob es uns das wirklich immer wert ist.

Schlusswort

Tja, leider muss ich hier fürs Erste Schluss machen, auch wenn ich noch so viel zu sagen hätte. Aber du kannst auf den nächsten DGW gespannt sein, wo wir untersuchen werden, wie eine Handysucht überhaupt entsteht, welche Folgen die Nutzung für dein Gehirn und z. B. deine Sehfähigkeit hat, und nicht zuletzt wollen wir uns dem allerwichtigsten Aspekt widmen: deinem Glaubensleben. Du denkst, das hat nichts mit deinem Smartphone zu tun? Dann lass dich überraschen!

In diesen drei Monaten, bis der nächste DGW erscheint, hast du den perfekten Zeitraum, um dein Handyverhalten etwas genauer zu beobachten. Installiere dir eine Nutzungsdauer-App, schau mal genau hin wann, wofür und wie lange du dein Handy zur Hand nimmst oder probiere aus, das Handy mal ganz bewusst nicht zu benutzen. Ich kann dir versichern, die anderen Patienten im Wartezimmer beim Arzt werden dich mit großen Augen anschauen, wenn du anstatt des Handys den DGW auspackst! Ich wünsche dir aufschlussreiche Erkenntnisse, viel Weisheit und Kraft für den Balanceakt zwischen online und offline und freue mich darauf, dich beim zweiten Teil wieder begrüßen zu dürfen.

Hier findet ihr den zweiten Teil: https://www.kjb.digital/mediathek/das-glueck-in-deiner-hand-teil-2/

Anmerkungen

1. https://www.welt.de/kmpkt/article162482668/Digital-Detox-So-einfach-kannst-du-damit-starten.html (abgerufen am 07. Oktober 2020).

2. https://www.bvdw.org/fileadmin/user_upload/BVDW_Marktforschung_Digitale_Nutzung_in_Deutschland_2018.pdf (abgerufen am 07. Oktober 2020).

3. https://www.bigfm.de/topic/12232/entsperren-tag-handys#:~:text=Nun%20hat%20Ben%20Bajarin%2C%20ein,das%20ist%20nur%20der%20Durchschnitt (abgerufen am 07. Oktober 2020).

4. http://www.guter-rat.de/besser-leben/lifestyle/die-neue-droge-heisst-smartphone-wie-viel-handy-ist-gesund (abgerufen am 07. Oktober 2020).

5. Hochgerechnet aus der Studie von Fußnote 2.

6. Zahl für deutsche Singles – https://stadtleben.de/deutschland/news/2019/07/30/repraesentative-studie-zum-tag-der-freundschaft/ (abgerufen am 07. August 2020).

7. https://nt.global.ssl.fastly.net/documents/read-our-natural-childhood-report.pdf (abgerufen am 07. Oktober 2020).

8. Die Daleks sind eine nichtmenschliche Spezies von kriegerischen Außerirdischen aus der britischen Science-Fiction-Kultserie „Doctor Who“ – https://de.wikipedia.org/wiki/Daleks (abgerufen am 07. Oktober 2020).

9. Spitzer, Manfred (2018–2019). Die Smartphone Epidemie (S. 38–39). Stuttgart: Klett-Cotta.

10. Ebd. (S.16).

11. Ebd. (S. 93).

12. https://www.youtube.com/watch?v=zHidk7iz7Dc (abgerufen am 07. Oktober 2020).

13. Diefenbach, Sarah & Ullrich, Daniel (2016). Digitale Depression (S. 192). München: mvg Verlag.

14. Ebd. (S. 193).

15. Spitzer, Manfred (2018-2019). Die Smartphone Epidemie (S. 25). Stuttgart: Klett-Cotta.

16. Diefenbach, Sarah & Ullrich, Daniel (2016). Digitale Depression (S. 101). München: mvg Verlag.

17. Ebd. (S. 56).