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Der Freiheitskampf des irischen Volkes und die Rolle der katholischen Kirche (Teil 1)

Erschienen in:
DGW-2011-04-Der-Freiheitskampf-des-irischen-Volkes

Irland kennt man von romantischen Bildern mit grünen Wiesen und dramatischen Steilküsten. Auf viele Menschen hat die unberührte Natur und die freundliche Bevölkerung eine faszinierende Wirkung. Aber nur wenige kennen die tragische Geschichte dieser leidgeprüften Nation. Das katholische Irland hatte jahrhundertelang unter der Knechtschaft des protestantischen Großbritannien zu leiden. Hier soll nun versucht werden, diese abwechslungsreiche Geschichte darzustellen.

Frühkulturen

Es wird angenommen, dass menschliches Leben in Irland bereits früher als 10.000 Jahre vor Christus stattgefunden hat. Wie die ersten Menschen die Insel erreichten, ist unklar, vielleicht liegen die Ursprünge menschlichen Lebens auf der Insel auch noch in der Zeit vor der Kontinentalspaltung. Was durch archäologische Befunde als gesichert gilt, ist eine ausgeprägte keltische Kultur, welche auch heute noch in vielen keltischen Grabdenkmälern zu besichtigen ist.

Das Wirken des hl. Patrick

Über das Wirken des hl. Patrick, dessen Gedenktag der 17. März ist, gibt es genügend Belege in Form von schriftlichen Berichten. Sein frühes Leben ist leider nur lückenhaft dokumentiert.

Geboren wurde er zwischen 385 und 389 im damaligen römischen Bannaven Taburniae (heute Grafschaft Cumberland, Nordwestengland) als Sohn eines römischen Legionärs und späteren Diakons, dementsprechend wurde er christlich erzogen. Im Alter von 16 Jahren wurde er von irischen Piraten entführt und in die Grafschaft Antrim im heutigen Nordirland gebracht. Hier musste er als Sklave Schafe hüten. In dieser Zeit wurde er mit dem heidnischen Glauben der Kelten konfrontiert, dennoch hielt der junge Patrick standhaft an den ihm gelehrten Wahrheiten fest. Nach sechs Jahren gelang ihm die Flucht und er erreichte mit einem Boot das europäische Festland. Nach seiner Ankunft besuchte er das Kloster des hl. Martin in Tours. Später zog Patrick weiter nach Süden und kam in das um 400/410 vom hl. Honoratus von Arles gegründete Kloster auf der Insel Lérins (lat. Lerinum, später Saint-Honorat) vor der südfranzösischen Küste. Dort studierte er Theologie und lernte das koptische Mönchswesen kennen. Nach einiger Zeit wurde er Schüler des gelehrten Bischofs Germanus in Auxerre (Burgund) und sehr wahrscheinlich von ihm auch zum Priester geweiht. Zu dieser Zeit breitete sich in Britannien der Pelagianismus (eine Irrlehre, welche die Erbsünde leugnet und eine Selbsterlösung des Menschen durch sittliche Vervollkommnung ohne Gnadeneinwirkung propagiert) aus. So wurde Germanus dorthin gesandt, um der Häresie Einhalt zu gebieten, und Patrick begleitete ihn. Da Patrick in Britannien mit großem Erfolg gegen den Pelagianismus stritt, erkannte man in ihm den Mann, der Nachfolger des ersten irischen Bischofs werden sollte. Dies war damals der hl. Palladius, der 431 auf die Insel gesandt worden war, jedoch nur mäßigen Erfolg hatte. Nachdem Patrick zum Bischof geweiht wurde, betrat er 432/433 wieder irischen Boden. Er begann sogleich mit der Missionierung der heidnischen Bevölkerung. Dem Hochkönig von Tara erklärte Patrick die heiligste Dreifaltigkeit anhand eines dreiblättrigen Kleeblattes, welches seither als eines der Nationalsymbole Irlands gilt. Einen König namens Laoghaire konnte er bekehren und erhielt die Erlaubnis, auch unter seinen Untertanen zu wirken. Er zerstörte das berühmte steinerne Götzenbild von Crom Cruaich und konnte so den Heiden die Machtlosigkeit ihrer Religion aufzeigen, da er – anders als die Iren erwarteten – von den vorhergesagten Übeln wie Warzen, Geschwüren und plötzlichem Tod verschont blieb. Er hatte deutlich größeren Erfolg als einige Jahre zuvor der hl. Palladius und schon 444 teilte er die Insel in mehrere Diözesen ein; während seines gesamten Wirkens soll er 350 Bischöfe geweiht haben. Es ist wirklich ein Wunder, wie schnell sich große Teile der Insel zum Christentum bekehrten. Dennoch gab es noch weite Landstriche, welche sich dem Christentum widersetzten, vor allem im Westen der Insel. Der hl. Patrick starb vermutlich im Jahre 461 und wurde im Armagh in Nordirland begraben, sein Grab wurde jedoch bisher nicht gefunden.

Insel der Heiligen

In der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts wurden in ganz Irland Klöster gegründet. Zu den berühmtesten gehören Clonmacnoise und Glendalough. Diese Horte der Gelehrsamkeit und Frömmigkeit beherbergten zu manchen Zeiten Tausende von Mönchen! Noch heute kann man dort wunderschöne Hochkreuze bewundern, welche offenbar auch der Belehrung dienten, denn sie sind mit biblischen Zeichnungen versehen. Dargestellt sind z. B. die Kreuzigung, die Auferstehung oder auch das Jüngste Gericht.

Von diesen Orten ging viel Segen aus, denn es waren irische Mönche, welche den Glauben in das teilweise noch heidnische Mitteleuropa trugen. In diesem Zusammenhang soll der hl. Kolumban der Jüngere genannt werden, welcher mit zwölf Gefährten u. a. Burgund durchwanderte, wo er mehrere Klöster mit einer besonders strengen Regel gründete, und über die Schweiz nach Oberitalien gelangte, wo er die Abtei Bobbio in der Lombardei ins Leben rief. Aber auch der hl. Kilian ist zu nennen, der in Begleitung des Priesters Kolonat und des Diakons Totnan mit großem Erfolg im bayerischen Raum wirkte. Schließlich verdient der hl. Gallus Erwähnung, der das berühmte Kloster St. Gallen gründete.

Beginn der englischen Herrschaft in Irland

Heinrich II., welcher von 1154 bis 1189 regierte, war der erste König von England, der durch einen militärischen Vorstoß Irland erobern und somit die ungeschützte Westflanke seines Reiches sichern wollte. Das geschah 1171, und seitdem versuchten die Engländer immer wieder, ihre Machtposition in Irland zu festigen. Sie wurden dabei auch von der Befürchtung angetrieben, die Iren könnten der Krone gefährlich werden oder die Insel könne gar als Sprungbrett einer feindlichen Streitmacht für die Invasion ins englische Mutterland dienen. Bis zur Regierungszeit Heinrichs VIII. (1509– 1547) beherrschten die Engländer nur einen 30 bis 60 Kilometer breiten Küstenstreifen um Dublin herum, den sogenannten Pale („Pfahl“; eventuell wurde er wegen der Palisadenmauer so genannt, die das Gebiet schützte).

Die Reformation in Irland

Das Leben Heinrichs VIII., welches von Vielweiberei, Tyrannei, Jähzorn und Habgier geprägt war, ist hinlänglich bekannt. Hier soll nur ein Blick auf die durch ihn heraufbeschworene Reformation in Irland geworfen werden:

Die Veränderungen, die Heinrich auf religiösem Gebiet vornahm, waren schwerwiegend und verhängnisvoll. Die Iren, die treu zu Rom standen, sahen darin aber auch eine Möglichkeit, die englische Herrschaft abzuschütteln, und wollten das Chaos ausnutzen, das zu dieser Zeit in England herrschte. Gerald, der neunte Earl (Graf) of Kildare, welcher zugleich Lord Deputy („Vertreter der Krone“) war, ließ das königliche Waffenarsenal in Dublin Castle ausräumen und den gesamten Inhalt auf seine eigene Burg bringen. Daraufhin wurde er vom König nach London einbestellt, wo er sich rechtfertigen sollte. Deshalb ernannte er seinen Sohn Thomas zu seinem Stellvertreter und zog los. Als Thomas erfuhr, dass er und einige seiner Familienmitglieder entführt und in London hingerichtet werden sollten, trat er am 11. Juli des Jahres 1534 vor den Irish Council und legte sein Staatsschwert ab, welches ihn als Stellvertreter der Krone kennzeichnete, prangerte Heinrich öffentlich als Ketzer an und schwor dem Papst die Treue. Der so begonnene öffentliche Aufstand fand viele Unterstützer, breitete sich schnell aus und wurde noch durch die Nachricht angefeuert, dass der Earl of Kildare im Tower von London verstorben sei.

Heinrich VIII. schickte eine gut ausgerüstete Armee nach Irland, und im Winter 1534/35 wandten sich viele der Verbündeten von Thomas ab. Bis zum August konnten sich die Rebellen halten, danach streckten sie die Waffen.

So war der erste Aufstand der katholischen Iren gegen die vom Glauben abgefallenen Engländer gescheitert. Noch viele weitere sollten folgen …

Heinrich VIII. führte nach der Trennung von Rom und der Niederschlagung des Aufstands tief greifende Neuerungen in Irland ein:

  • Nachdem er sich im November 1535 zum Oberhaupt der neuen Church of England gemacht hatte, erklärte er sich im Mai 1536 auch zum Oberhaupt der ebenso neugegründeten Church of Ireland. Damit erhob er sich zur höchsten religiösen Autorität auch in Irland.
  • Er ließ – wie zuvor in England – nun auch in Irland zahlreiche Klöster auflösen. Innerhalb des Pale waren fast alle Klöster betroffen, außerhalb war die Lage weniger schlimm, jedoch kam es auch hier zu blasphemischen Ausschreitungen.
  • Zudem ließ er Wallfahrtsstätten niederreißen.

Wenn man bedenkt, dass die Iren keineswegs daran dachten, die Autorität der katholischen Kirche infrage zu stellen, so überrascht es doch, dass sich nicht mehr Widerstand gegen die Neuerungen regte. Die Gründe dafür waren vielfältig: Die Engländer kontrollierten nur die Gegend um Dublin und andere kleinere Gebiete vollständig, weshalb die Reformen auch nur diese Gebiete erreichten. Außerhalb dieser verlief das religiöse Leben weiterhin wie gewohnt. Heinrich starb im Jahre 1547.

Wie sollte es mit der Reformation in England und Irland weitergehen, da sie vor allem in Irland kaum Fuß gefasst hatte? Wie würden Heinrichs Nachfahren und Nachfolger, Eduard, Maria und Elisabeth, die Reformation in Irland voranbringen?

Zuerst folgte Heinrich sein Sohn als Eduard VI. auf den Thron. Er trat – minderjährig zur Herrschaft gelangt – unter dem von Heinrich eingesetzten Thronrat gänzlich in die Fußstapfen seines Vaters, hatte jedoch in Irland keinen Erfolg, da die dortige Bevölkerung sich weiterhin der Reformation wirksam widersetzte. Der kränkliche Eduard, der sechs Jahre lang als König über England und Irland herrschte, verstarb im Alter von nur 15 Jahren vermutlich an Tuberkulose.

Nun erschien für die katholischen Iren ein Hoffnungsschimmer am Horizont: Heinrichs älteste Tochter Mary, eine fromme und praktizierende Katholikin, bestieg als Maria I. den englischen Thron. Sie leitete die Gegenreformation in England und Irland ein, wobei man in Irland von einer Gegenreformation im eigentlichen Sinn wie in anderen europäischen Ländern nicht sprechen kann, eben weil die Insel katholisch geblieben war.

Die Iren lebten in einem komplexen Treueverhältnis: Zuallererst fühlten sie sich als Katholiken dem Papst zur absoluten Treue verpflichtet. Aber wie stand es mit der Treue zu England? Noch immer war der König von England auch König von Irland. Sicher hatten die Iren kein Problem damit, sich der Katholikin Maria unterzuordnen. Aber wie sollte man reagieren, wenn ein Protestant wieder den englischen Thron bestieg? Die meisten Iren folgten den Weisungen des Papstes, der bis 1570, als er Elisabeth exkommunizierte, die Auffassung vertrat, dass man sich nicht gegen den König erheben dürfe, auch wenn dieser ein Ketzer war. Tatsächlich forderten die Iren von der späteren Königin Elisabeth nur religiöse Freiheiten und strebten nicht unbedingt den Sturz der protestantischen Monarchin an.

1559 verstarb Maria I. und ihre Schwester bestieg als Elisabeth I. den Thron. Sie war überzeugte Protestantin, brachte die Reformation in England zum Abschluss und stand nun vor drei Möglichkeiten, wie sie mit Irland verfahren könne: die Insel einfach aufgeben, vollständig unterjochen oder weitermachen wie bisher. Die erste Möglichkeit schied aus, da man zu Recht befürchtete, Spanien oder Frankreich könnte die Insel als Sprungbrett für eine Invasion Englands nutzen. Die zweite Option war schlicht zu teuer und es fehlten die Truppen dafür. Ab dem Jahre 1566 wurde deshalb mit der Ansiedlung von Engländern im Pale begonnen, um den Widerstand der Iren gegen die Reformation zu brechen. In der Folge eskalierte die Lage und entlud sich in einer Reihe von Aufständen gegen die englisch-anglikanische Herrschaft in den letzten vier Jahrzenten des 16. Jahrhunderts (1559, 1568–1583 und 1594–1603). Als Unruheherd erwies sich v.a. die nördliche Provinz Ulster, in der die alte gälische Herrschaftsform des Klanwesens unvermindert weiterlebte. Der Anführer des letztgenannten Aufstandes, Hugh O’Neill, Earl of Tyrone (von Königin Elisabeth selbst in diesen Adelsstand erhoben), mächtigster Klanführer in Ulster, erbat sich für seine Rebellion sogar die Unterstützung der spanischen Krone. König Philipp II. sandte daraufhin zwei Flotten zur Unterstützung, welche jedoch beide auf dem Weg nach Irland verloren gingen. O’Neill erklärte den Aufstand nicht nur zum Kampf für das Gälentum und gegen die Anglisierungsbemühungen der englischen Krone, sondern auch zum Kampf wider die Reformation und für die katholische Religion. Er nahm den Titel „Lieutenant of the Church and of the Catholic faith1 an und erwarb von Papst Clemens VIII. eine Ablassbulle für sich und seine Mitstreiter. Königin Elisabeth verstarb 1603 und unter dem neu gekrönten englischen König Jakob I. wurde die Erhebung endgültig niedergeschlagen. Letzterer verfuhr mit den Besiegten überraschend milde und versöhnlich, beugte sich jedoch bald darauf dem Druck seiner englischen Umgebung und schwenkte auf eine härtere Linie ein: So verbot er die Ausübung aller nicht-anglikanischen Riten und verwies alle katholischen Priester des Landes.

Die Plantations

Hugh O’Neill musste im Jahre 1607, da er erneut in antienglische Machenschaften verwickelt war, aus Irland flüchten. Mit ihm flohen 100 seiner meist adligen Gefolgsleute in die Normandie. Dieses Ereignis ging als die „Flucht der Grafen“ in die irische Geschichte ein. Ihre ehemaligen Ländereien wurden nun beschlagnahmt und an protestantische englische und schottische Siedler verteilt – die sogenannte Plantation („Anpflanzung“, „Ansiedlung“) begann. Die Engländer sahen darin eine gute Möglichkeit, durch eine grundsätzliche Neuordnung des Grundbesitzes und damit der Machtverhältnisse ihre Vorherrschaft zu sichern.

Die Plantation erfüllte jedoch nicht die in sie gesetzten Hoffnungen. Vor allem scheiterten alle Versuche, die einheimische Bevölkerung zu reduzieren und den Rest von den Neusiedlern zu trennen. Weil die Großpächter schnellen Gewinn machen wollten, missachteten sie die Verträge mit der Krone und verpachteten ihr Land auch an Iren, da jene ja schon vor Ort waren und nicht erst aus Britannien einreisen mussten.

In dieser Zeit kam es immer wieder zu Exekutionen katholischer Geistlicher, so im Jahre 1608, als der 90-jährige Dominikanerprior von Derry gestreckt, gehenkt und gevierteilt wurde. 1611 wurde der 80-jährige Bischof der Diözese Down and Connor (im südöstlichen Teil Ulsters gelegen) hingerichtet. Offiziell geschah dies nicht aus religiösen, sondern politischen Gründen: Er wurde der Fluchthilfe für O’Neill angeklagt. Auf dem Schafott verkündete er jedoch öffentlich, dass er sein Leben durch die Konversion zum Anglikanismus hätte retten können. Dies machte ihn für die Iren zum Märtyrer.

Als im Jahre 1614 die Anweisung kam, gegen alle so hart wie möglich vorzugehen, die sich weigerten, an anglikanischen Gottesdiensten teilzunehmen, war die katholische Kirche in Ulster bereits sehr geschwächt. Es hielt sich dort kein Bischof mehr auf und nur wenige Priester, zumeist als Soldaten verkleidet, durchzogen das Land und spendeten den Menschen an versteckten geheimen Orten, fern der Ortschaften, die Sakramente.

In England und Schottland begann ab 1637 ein Konflikt, der für Irland weitreichende Konsequenzen hatte: In diesem Jahr hatte der englische König Karl I. (Regierungszeit 1625– 1649) versucht, die presbyterianischen Schotten durch die Einführung eines verbindlichen Gebetsbuches in die anglikanische Staatskirche zu zwingen. Die Schotten wehrten sich dagegen und stellten sogar ein Heer auf, welches die schwachen königlichen Truppen vertrieb. In seiner Not berief Karl das Parlament nach Westminster ein, doch statt ihn zu unterstützen, hegte das puritanisch dominierte Parlament Sympathien für die rebellischen Schotten, da sich die Ansichten der Puritaner eher mit denen der Presbyterianer deckten als mit denen der anglikanischen Staatskirche. So wandte sich der König nach Irland und erhoffte von dort Hilfe. Tatsächlich wurde ein Heer von 9000 irischen Soldaten aufgestellt. Der Einsatz der Streitmacht wurde jedoch auf Betreiben des Parlaments blockiert. Es kursierten bald Gerüchte in Ulster über eine geplante schottische Invasion in Irland, welche die völlige Beseitigung des Katholizismus zum Ziel hatte. Unter diesen verhängnisvollen Vorzeichen begann 1641 die folgenschwere Rebellion von Ulster.

Katholische Truppen unter dem Kommando von Owen Roe O’Neill brachten schnell große Teile des protestantischen Siedlungsgebietes unter ihre Kontrolle. Anfangs gingen die Truppen recht besonnen vor, doch dann änderte sich nach zwei Wochen die Lage: Der Adel verlor die Kontrolle über die Bauern, welche sich nun auf die protestantischen Siedler stürzten. Im Rahmen dieser Ausschreitungen verloren an die 12.000 Protestanten in Ulsterihr Leben, wobei von 4000 Ermordeten und 8000 durch Hunger und Krankheit Umgekommenen auszugehen ist.

Die Propaganda in England lief auf Höchsttouren. Bald kursierten Gerüchte von 100.000 Tote, wobei man sich fragen muss, wo all diese Menschen herkommen sollten, da zum Zeitpunkt des Aufstandes nur ca. 34.000 Siedler in Ulster lebten! Das Massaker hatte für die Siedler tief greifende Auswirkungen: Es verstärkte die Selbstwahrnehmung permanenter Bedrohung, die nicht nur ein militantes Vorgehen gegen die katholische Bevölkerung rechtfertigte, sondern zusätzlich die eigene Sicherheit allein abhängig von der vollständigen politischen Entmachtung und gesellschaftlichen Ausgrenzung der Katholiken erscheinen ließ.

In England weitete sich der Konflikt zwischen König und Parlament zum englischen Bürgerkrieg aus, der 1649 mit der Enthauptung Karls I. (seit 1625 König von England, Schottland und Irland) und dem Sieg der puritanischen Parlamentsfraktion unter Oliver Cromwell endete.

Doch davor, im Jahre 1642, landete ein schottisches Heer in Ulster und nahm blutige Rache für die im Vorjahr begangenen Taten. Im März desselben Jahres stuften die katholischen Bischöfe der Kirchenprovinz Armagh in Ulster den Konflikt als gerechten Krieg ein und so wurde im Mai die „Konföderation von Kilkenny“ zwischen gälisch-irischen Katholiken und den Altengländern geschlossen. Diese Konföderation wollte aufseiten des Königs gegen die Puritaner und für eine katholische Restauration Irlands kämpfen. Da sich jedoch die Protestanten in Irland in mehreren Gebieten halten konnten, wurden geheime Friedensverhandlungen mit König Karl I. geführt. 1645 erreichte der päpstliche Nuntius Giovanni Battista Rinuccini die Insel und legte dagegen ein Veto ein, da er die Forderung stellte, die künftige Regierung Irlands müsse hauptsächlich in katholischen Händen liegen. Dies war eine unannehmbare Forderung für König Karl. 1648 wurde der Nuntius des Landes verwiesen, doch bevor die Friedensverhandlungen abgeschlossen werden konnten, endete der Bürgerkrieg wie erwähnt mit Karls I. Enthauptung und dem Sieg Oliver Cromwells.

Cromwell in Irland – Die endgültige Unterwerfung der Katholiken

Im August landete der Führer des englischen Parlamentsheeres, Oliver Cromwell, in Dublin. Er war davon überzeugt, als Instrument eines göttlichen Strafgerichts den katholischen „Götzendienst“ ausrotten zu müssen. In der Stadt Drogheda, nördlich von Dublin, welche er als erste eroberte, ließ er die 2000 Mann starke Besatzung samt Teilen der Zivilbevölkerung nach Beendigung der Schlacht niedermetzeln. Cromwell beschrieb dies als „gerechtes göttliches Urteil über diese barbarischen Schufte, welche ihre Hände in so viel unschuldiges Blut getaucht haben“.2 Hinzugefügt sei, dass die irischen Rebellen damals offiziell als „die vom Bösen befallenen irischen Papisten“3 bezeichnet wurden. Ein Jahr später erlitt die Stadt Wexford südlich Dublins ein ähnliches Schicksal.

Nach zwölf Jahren Krieg, Hungersnot und Beulenpest, die zu allem Übel 1650 noch ausgebrochen war, war Irland im Jahre 1653, als Cromwells Feldzug offiziell beendet war, zu großen Teilen verwüstet. Eine zeitgenössische Schätzung ging von 600.000 Toten aus (davon 15–20 Prozent Protestanten), bei 850.000 bis zu einer Million noch Lebenden! Cromwell gestaltete nun die Insel im protestantischen Sinne um: Er erließ den Act of Settlement, mit welchem er in ganz Irland 11 Millionen Morgen Land (etwa 44.515 Quadratkilometer!) in Besitz nahm, also nahezu das gesamte Farmland, welches noch in katholischem Besitz war. Einzige Ausnahme bildete die karge westliche Provinz Connaught westlich des Flusses Shannon. Irische Grundbesitzer, die nach dem 1. Mai 1654 noch östlich des Shannon angetroffen wurden, verfielen der Todesstrafe oder der Verschleppung nach Westindien. So mussten ca. 44.000 Menschen im Winter 1653/54 nach Connaught ziehen, wo sich ihnen kaum eine Lebensgrundlage bot. Mit dem berühmten Ausspruch „To hell or to Connaught“ hatte Cromwell die katholischen Siedler vor die Wahl gestellt.

Auch auf religiösem Gebiet vollzog Cromwell schwerwiegende Veränderungen. Im Januar 1653 erging der Befehl, dass alle katholischen Priester binnen 20 Tagen die Insel zu verlassen hätten. Dieser Aufforderung kamen bis 1654 etwa tausend Kleriker nach, die – wie die meisten katholischen Lehrer – in die westindischen Kolonien deportiert wurden. Trotz brutaler Verfolgung und der Aussetzung von Kopfgeldern gelang es vielen Priestern, sich in den irischen Bergen und Wäldern zu verstecken. Sie übten weiterhin ihr Amt aus, zogen verkleidet durchs Land und spendeten nachts an abgelegenen Orten die Sakramente. Eine traurige Erscheinung waren die sogenannten „Priesterjäger“ – Männer, welche das Vertrauen der Priester genossen und diese sicher zu den geheimen Versammlungsorten führen sollten, sie jedoch stattdessen an die Häscher Cromwells auslieferten und dafür die Belohnung kassierten. Heute kann man in Irland Dutzende von zerstörten Klöstern und Kirchen besichtigen, die meisten davon wurden während oder nach dem Krieg von Cromwells Truppen verwüstet und geplündert. Die St. Patricks-Kathedrale in Dublin wurde von seiner Reiterei als Pferdestall benutzt. Ganz abgesehen davon verbot Cromwell die katholische Religion und ihre Ausübung an sich.

Ein Hoffnungsschimmer am Horizont

Im Jahre 1660 bestieg Karl II. den englischen Thron. Da nun wieder die Monarchie in England herrschte, hofften auch die Iren auf eine Verbesserung ihrer Lage, denn schließlich hatte die Konföderation von Kilkenny stets ihre Treue zur Krone beteuert und bewiesen. Zudem hatte Karl II. sein Exil am Hofe König Ludwigs XIV. von Frankreich verbracht, des mächtigsten katholischen Monarchen, mit dem er ein Bündnis anstrebte. In der Tat bemühte sich Karl II. um eine gerechtere Gesetzgebung gegenüber den irischen Katholiken, konnte jedoch gegenüber dem Parlament das versprochene Recht auf freie Religionsausübung nicht durchsetzen.

In die Regierungszeit Karls II. fällt der Märtyrertod des berühmten Erzbischofs von Armagh und Primas von Irland, des hl. Oliver Plunkett. Im Jahre 1670, als die Verfolgung von Katholiken in Irland etwas abflaute, war er aus dem römischen Exil zurückgekehrt. Er fand den irischen Klerus in bedenklichem Zustand vor: Neben der Tatsache, dass viele Priester offen mit Frauen zusammenlebten, war auch der Alkoholismus ein großes Problem. Er versuchte die Lage zu entschärfen. Einerseits war er die treibende Kraft hinter der offiziellen kirchlichen Verdammung der Tories, katholischer Räuberbanden, die gelegentlich sogar von einem Mönch als Seelsorger begleitet wurden. Andererseits versuchte er persönlich, Tories davon zu überzeugen, im Rahmen einer von ihm erwirkten Amnestie Irland zu verlassen. Jedoch fruchteten seine Überzeugungsversuche nichts. Als 1673 die Verfolgungen von Katholiken wieder aufflammten, tauchte er unter, wurde jedoch sechs Jahre später verraten und eingekerkert. Angeklagt wurde er des Hochverrates, worauf die Todesstrafe stand. Der Primas äußerte sich dazu in einem Brief: „In der Tat hat mir Gott trotz meiner Unwürdigkeit die Gnade des Starkmuts verliehen, der keine Todesfurcht kennt. Vor dem obersten Gerichtshof des Herrn, wo falschen Zeugen der Zugang verwehrt ist, habe ich mich wegen vieler Sünden zu verantworten. Was aber die irdische Richterbank angeht, weiß ich mich keines der mir vorgeworfenen Verbrechen schuldig.“4 Und des Weiteren schrieb er: „Die Todesstrafe ist über mich verhängt. Allein ich fürchte mich nicht. Keinen Augenblick stört sie meine Ruhe, da ich ja von dem mir zu Last gelegten Verbrechen des Hochverrats frei bin. Mein Amt, mein Stand und meine geistliche Tätigkeit habe ich offen bekannt. Da hierin die Ursache meines Todes liegt, bringe ich freudig mein Leben zum Opfer.“5 Der ganze Prozess war eine einzige Farce: Entlastungszeugen konnten nicht auftreten, da das Gericht ihnen nicht genügend Zeit zur Anreise gab. Einige Denunzianten wollten ihn gar nicht wegen Hochverrat, sondern wegen „Ausübung der Jurisdiktion im Auftrag des Papstes“ anklagen!6 Dies geht aus einem Brief des Erzbischofs an den Nuntius in Brüssel hervor. An einen Brüsseler Domherrn schrieb er: „Vor vierzehn Tagen wurde ich vor ein Gericht gestellt und angeklagt, ich wolle den heiligen katholischen und apostolischen Glauben einführen und die protestantische Religion stürzen und vernichten.“7 Die Begnadigung wäre Plunkett sicher gewesen, wenn er den Suprematseid8 abgelegt hätte. Vom 8. bis zum 15. Juni 1681 arbeiteten die Richter an dem Urteilsspruch, der den primitiven Gepflogenheiten der damaligen Zeit entsprach. Der Richter sagte in der Urteilsbegründung: „Der Grund Eures Verrates ist in Eurer falschen Religion zu suchen, die Gott wie kaum etwas anderes in dieser Welt missfällt. Es ist eine Religion, die zehnmal schlimmer ist als jeder heidnische Aberglaube, denn sie erdreistet sich, Gottes Gesetze außer Kraft zu setzen und dann noch den Gesetzesbrechern Vergebung zu spenden (!). Ich bin traurig, dass Ihr auf den Grundsätzen einer solchen Religion beharrt. Und darum sollt Ihr von hier bis zu dem Platz, von dem Ihr kamt, Newgate, zurückkehren. Von dort sollt Ihr zwei Meilen mit dem Schlitten durch die Stadt London bis nach Tyborn geschleift werden. Dort werdet Ihr am Hals gehenkt, jedoch vom Seil abgeschnitten, bevor Ihr tot seid, Eure Eingeweide herausgeschnitten und diese vor Euch verbrannt. Anschließend sollt Ihr enthauptet und Euer Körper in vier Teile geteilt werden, über welche verfügt wird, wie es Seiner Majestät beliebt. Der Herr sei Eurer Seele gnädig.“9 Am 1. Juli 1681 erlitt der Erzbischof von Armagh und Primas von Irland das Martyrium. Eine Familie namens Sheldon setzte sich dafür ein, dass er vorerst auf dem Friedhof Saint Giles in the fields bestattet wurde. Einige Reliquien ruhen in der Klosterkirche von Lamspringe im Bistum Hildesheim, wohin sie sein früherer Freund, Abt Maurus Corker, 1683 überführen ließ.

Im Jahre 1673 erließ Karl II. auf Druck des Parlaments hin die sogenannte Testakte. Dieses Gesetz verlangte von Bewerbern eines öffentlichen Amtes den Suprematseid und die Verwerfung der Lehre von der Transsubstantiation sowie den Empfang des Abendmahles nach anglikanischem Ritus. Später wurde sie durch die Erklärung erweitert, die Anrufung der hl. Jungfrau Maria und das hl. Messopfer seien Aberglaube und Götzendienst. Damit wurden Katholiken praktisch von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Das Parlament drängte vor allem aus Furcht vor prokatholischen Bestrebungen Karls II., besonders nach der Konversion seines Bruders Jakob, des Herzogs von York und voraussichtlichen Nachfolgers des kinderlosen Königs, auf dieses Gesetz.

Umso größere Hoffnungen machten sich die irischen Katholiken, als dieser zum Katholizismus konvertierte Bruder im Jahre 1685 als Jakob II. den englischen Thron bestieg. Tatsächlich wandte sich nun einiges zum Guten: 1687 hob er die antikatholischen Gesetze auf, berief Katholiken in hohe Staatsämter, gewährte den katholischen Bischöfen Irlands Zuschüsse aus Mitteln vakanter anglikanischer Diözesen und ernannte den Katholiken Richard Talbot zum Lord Deputy („Vertreter der Krone“) von Irland. Dieser begann sofort mit einer energischen Re-Katholisierung der Insel: In der Armee ersetzte er Protestanten gezielt durch Katholiken und brachte die wichtigsten Posten der Dubliner sowie der lokalen Verwaltung in katholische Hand. Ein Jahr darauf gebar die Königin einen Sohn. Nun waren die Protestanten der britischen Inseln enorm beunruhigt, bedeutete dies doch, dass die katholische Dynastie gesichert sei. Bisher nahmen die Protestanten an, die Krone gehe nach dem Tod des Königs an seine protestantische Tochter Mary, die mit dem Calvinisten William von Oranien, Generalkapitän der Niederlande, verheiratet war. Dieser führte zu dieser Zeit auf dem Festland Krieg gegen Ludwig XIV. von Frankreich. Als Jakob II. auch noch irische Soldaten zu seinem Schutz nach England beorderte, war für die Protestanten das Maß voll: Parlament und Armeeführung fassten den Entschluss, Jakob zu entmachten und stattdessen William und Mary die Krone anzutragen. So landete William von Oranien mit einer Streitmacht in England und rückte auf London vor. Jakob floh nach Frankreich und sein Schwiegersohn konnte als Wilhelm III. den englischen Thron besteigen. In Irland hatte inzwischen Lord Deputy Talbot ein Heer aufgestellt und das Land unter seine Kontrolle gebracht. Jakob II. setzte im März 1689 mit einem 7000 Mann starken französischen Heer nach Irland über, um ihn zu unterstützen. Die Armeen vereinigten sich, zogen nach Dublin und Jakob zog im Triumph in die Stadt ein.

Die Niederlage gegen William von Oranien und ihre Folgen

Nun folgten die Ereignisse, die noch Jahrhunderte später die Gegebenheiten in Nordirland prägen sollten.

Im Dezember 1689 belagerten die Truppen Talbots die Stadt Londonderry in Ulster, doch 13 protestantische Lehrjungen (Apprentice Boys) stahlen der Stadtwache die Schlüssel und zogen vor dem Eintreffen der katholischen Truppen die Zugbrücke hoch. Daran erinnernd nennt sich die Oranier-Loge der Stadt „Apprentice Boys“.10 Im Jahr darauf, als die Stadt noch immer belagert wurde, ordnete der Militärgouverneur der Stadt, Robert Lundy, an, dass die nördlichen Garnisonen sich hinter die Stadtmauern zurückziehen sollten. Seinen Soldaten gegenüber sprach er aus, was er dachte, nämlich, dass die Stadt nicht zu halten sei. Diese Feigheit vor dem katholischen Feind bezeichnen die Protestanten Nordirlands noch heute als „Lundyism“.11 Doch nach 105 Tagen zog die Armee Talbots erfolglos ab.

Der Krieg wurde endgültig mit der verhängnisvollen Schlacht am Fluss Boyne, nördlich von Dublin gelegen, entschieden. Dort trafen am 1. Juli 1690 die 21.000 französischen und irischen Soldaten Jakobs’ II. auf die 35.000 Mann Wilhelms III., dessen Streitmacht aus Niederländern, französischen Hugenotten, Engländern, Dänen, Preußen, Finnen und Schweizern bestand. Die Schlacht endete mit einer vernichtenden Niederlage für die katholischen Truppen. Jakob flüchtete erneut nach Frankreich, während sein Heer tapfer weiterkämpfte und erst im Juli 1691 bei Aughrim endgültig geschlagen wurde. Der Krieg endete jedoch erst formell am 3. Oktober 1691 mit dem Vertrag von Limerick. Die Protestanten Großbritanniens unterschlagen heute gern die milde Haltung Wilhelms III. gegenüber den Besiegten. Schließlich müssen sie ja das Bild Wilhelms von Oranien als Besieger des Katholizismus und Verteidiger des Protestantismus wahren. Tatsächlich gestattete er den Soldaten Jakobs, ins Exil zu gehen oder in Irland zu verbleiben, wenn sie den Treueeid auf ihn schwuren. Des Weiteren sei erwähnt, dass er tatsächlich diejenigen, die bleiben wollten und seine Herrschaft akzeptierten, vor den Auswirkungen der antikatholischen Strafgesetze durch Gewährung von Immunität schützen wollte. Dies wurde vom Parlament jedoch letztlich verhindert.

Schon 1695 erließ das Parlament die sogenannten Penal Laws („Strafgesetze“), die Katholiken u.a. eine Schulbildung und das Tragen von Waffen verboten, zudem war es ihnen nicht erlaubt, ein Pferd zu besitzen, das mehr als 5 Pfund wert war. Des Weiteren durften Katholiken weder Land kaufen noch von Protestanten erben oder als Geschenk erhalten. Sie durften keine Pachtverträge mehr abschließen, deren Laufzeit 31 Jahre überschritt. Und wenn ein katholischer Landbesitzer starb, so musste das Land zu gleichen Teilen unter seinen Söhnen aufgeteilt werden. Es gab jedoch eine Ausnahme: Wenn der älteste Sohn zum Protestantismus konvertierte, erhielt er den gesamten Besitz und die anderen Brüder gingen leer aus! Dies wirkte sich folglich fatal auf die Verteilung des Landbesitzes aus:

  • Vor dem Aufstand von 1641 war über die Hälfte des Landes in der Hand katholischer Grundbesitzer,
  • 1688 waren es nur noch 22 Prozent,
  • 1703 nur noch 14 Prozent,
  • 1776 sogar nur noch 5 Prozent.

Die restlichen 95 Prozent Landes gehörten 5000 protestantischen (zumeist anglikanischen) Grundbesitzern.

1698 wurden 424 irische Ordensgeistliche nach Frankreich deportiert und im 1704 erlassenen Act to Prevent the Further Growth of Popery („Gesetz gegen ein weiteres Anwachsen des Papismus“) wurde Katholiken ein vollständiges Berufsverbot auferlegt, mit Ausnahme des Arztberufes. Sie durften von nun an keinen Protestanten heiraten und nicht mehr Vormund Minderjähriger werden. Priester mussten sich für 100 Pfund registrieren lassen oder das Land verlassen. 1727 wurde den Katholiken auch noch das Wahlrecht ganz entzogen.

Natürlich sank durch all diese diskriminierenden Gesetze und die brutale Verfolgung die Zahl derer, die ihren Glauben wirklich bekannten und fromm praktizierten. Aber das Ziel der britischen Protestanten, den katholischen Glauben zu vernichten, war in 200 Jahren Unterdrückung nicht gelungen. Die Penal Laws hatten eine einigende Wirkung auf die katholische Bevölkerung gehabt und auch zwischen Volk und Klerus hatte sich eine für diese Zeit sicher ungewöhnliche Nähe entwickelt. Auch Konvertierungsbemühungen der Anglikaner waren nicht gerade von Erfolg gekrönt: Im südlichen Irland waren bis 1731 704 Katholiken konvertiert (zumeist wegen ihres Grundbesitzes) und sogar 8 Priester, die für diesen tragischen Schritt auch noch eine jährliche Pension von 30 Pfund erhielten. Und während des ganzen 18. Jahrhunderts wechselten in der Kirchenprovinz Armagh in Nordirland nur 450 Katholiken zur Church of Ireland. Auch hier war dieser Schritt zumeist aus wirtschaftlichen Gründen begangen worden, und viele widerriefen ihn auf dem Sterbebett.

Ab 1760 zeichnete sich eine Lockerung der antikatholischen Politik ab. Dies lag mit Sicherheit auch an dem neu aufgekommenen Gedankengut der Aufklärung. Die Penal Laws widersprachen dem aus dem indifferenten Vernunftprinzip abgeleiteten Toleranzgedanken. Des Weiteren wurden Katholiken in anderen Teilen des Empire um einiges besser behandelt als in Irland. Im Jahre 1772 wurde dann langsam damit begonnen, die Penal Laws teilweise aufzuheben: 1778 durften Katholiken wieder größere Ländereien pachten und vererben, 1793 erhielten sie wieder das aktive Wahlrecht, sie durften Mischehen mit Protestanten eingehen, es wurde ihnen dieBeteiligung an Schöffengerichten zugestanden, sie durften wieder Waffen tragen, am protestantischen Trinity College studieren (was aber die irischen Bischöfe bis 1970 mit der Exkommunikation belegten!) und es wurde ihnen erlaubt, die Juristenlaufbahn sowie untere und mittlere Laufbahnen in der öffentlichen Verwaltung einzuschlagen.

Doch in dieser Tauwetterperiode sandte ein weiteres unheilvolles Ereignis seine dunklen Wolken bis nach Irland voraus: die Französische Revolution.

Ein reißender Wolf in der katholischen Herde

Im Jahre 1791 gründete der Protestant Theobald Wolf Tone in Belfast die Society of United Irishmen, in welcher er Katholiken und Protestanten vereinigen wollte. Sein Ziel war ein unabhängiges Irland, wobei er sich vom Gedankengut der Französischen Revolution inspirieren ließ! Er entwarf die Vision einer irischen Nation jenseits konfessioneller und ethnischer Grenzen. Es ging ihm „um die Vereinigung des ganzen irischen Volkes, die Abschaffung aller vergangenen Spaltungen und darum, an die Stelle der Konfessionen von Protestanten, Katholiken und Dissentern [Freikirchlern, wie z. B. den Presbyterianern, F. H.] den allen gemeinsamen Namen des Iren zu setzen.“12 Der säkularisierte, aufgeklärte Staat sollte an die Stelle religiöser Gemeinschaftsbildung treten! Wolf Tone sagte auch: „Der emanzipierte und befreite Ire wird, wie der emanzipierte und befreite Franzose, vielleicht zur Messe gehen, seinen Rosenkranz beten oder seine Geliebte mit Weihwasser sprenkeln [sic!], aber keiner von beiden wird den eingerosteten und überlebten Donnerpredigten des Vatikan folgen.“13 Dies führte zu einer Annäherung irischer und englischer Bischöfe, die natürlich die Gefahren eines solchen Denkens erkannten und sich gegen die United Irishmen stellten. Doch im einfachen Volk fanden die Ideen Wolf Tones umso mehr Gehör. Inzwischen kam es bis Mitte der Neunzigerjahre des 18. Jahrhunderts zu einer Zunahme der Gewalt vor allem in Ulster. Doch die Auseinandersetzungen wurden auf eine neuartige Weise geführt: Protestanten gründeten bewaffnete Geheimbünde, die sogenannten fleets („Flotten“), auch Peep-o‘-Day Boys14 genannt. Im Gegenzug gründeten Katholiken die Defenders („Verteidiger“). So kam es 1795 in Nordarmagh zu einem Zwischenfall, als die Peepo‘- Day Boys etwa 1000 Katholiken aus ihren Häusern vertrieben und sie zur Auswanderung nach Connaught zwangen, ohne dass die Regierung eingriff. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten und die Defenders gingen gegen protestantische Farmer vor. Diese wiederum riefen nun ihre Geheimbünde zur Hilfe und so kam es zur „Schlacht von Loughgall“. Dabei trafen größere Gruppen beider Parteien aufeinander und der Kampf endete mit einem Sieg für die besser ausgerüsteten Protestanten. Dies war der direkte Anlass für die Gründung der Orange Boys (angelehnt an Wilhelm von Oranien), aus denen später der Loyal Orange Order (Oranier-Orden) hervorging. Diese extrem antikatholische Vereinigung trug später sehr viel zur ständigen Eskalation der Gewalt in Nordirland bei. Inzwischen weilte Wolf Tone in Paris und konnte Teile der französischen Regierung davon überzeugen, ein Invasionsheer nach Irland zu entsenden. Er versprach, sobald französische Truppen irischen Boden betreten würden, würden sich auch die irischen Bauern erheben. Beweise dafür hatte er jedoch nicht. Und so segelten im Dezember 1796 15.000 Mann des französischen Revolutionsheeres nach Irland. Die Flotte geriet jedoch in heftige Winterstürme und wurde auseinandergesprengt. Nur ein paar Schiffe erreichten die Bantry Bay in Südirland, mussten jedoch nach einigen Tagen den Rückzug antreten, da sich keine Wetterbesserung ankündigte.

Als Folge dieser gescheiterten Invasion reagierte die englische Regierung mit harten Maßnahmen: Sie suspendierte den Habeas Corpus Act (ein 1679 eingeführtes Gesetz, wonach Personen nur aufgrund richterlicher Verfügung ihrer Freiheit beraubt werden durften und das Recht hatten, in kürzester Zeit einem Richter vorgeführt zu werden), verhängte großräumige Ausgangssperren, verbot erneut den privaten Waffenbesitz und hob die erst kürzlich den Katholiken gewährten Bürgerrechte wieder auf. Die Durchsetzung des Waffenverbots führte zu zahlreichen Hausdurchsuchungen, willkürlichen Verhaftungen und Ausschreitungen der Soldaten gegen die Zivilbevölkerung. Dagegen regten sich zahlreiche Proteste, aus denen dann eine unkoordinierte Aushebung der United Irishmen im Mai 1798 wurde. Im August landete erneut in französisches Invasionsheer in Killala, musste sich jedoch nach 14 Tagen ergeben, obwohl auch dieser 1000 Mann starken Truppe anfangs große Erfolge beschieden waren. Kurz darauf verhinderte die Royal Navy einen erneuten Landungsversuch der Franzosen an der Nordküste und dabei fiel ihnen auch Wolf Tone in die Hände, der, als Offizier der Französischen Republik, die Operation mit geleitet hatte. Nach geltendem Kriegsrecht wurde er wegen Hochverrats zum Tode durch den Strang verurteilt. Er entzog sich jedoch am 19. November 1798 dem Galgen durch Selbstmord. Sein Tod zog einen Schlussstrich unter die Rebellion der United Irishmen. Insgesamt hatten dabei 30.000 Menschen ihr Leben gelassen, mehr als bei der Französischen Revolution.

Ein Grund für die mangelnde Unterstützung im Volk war die Opposition des katholischen Klerus gegen die United Irishmen, da dieser die antikirchlichen Absichten der Vereinigung klar erkannte und auch die Folgen einer Herrschaft unter Männern wie Wolf Tone.

Der Unionsakt und die Emanzipation der irischen Katholiken

Eine weitere Folge dieses Aufstandes war die Union zwischen Großbritannien und Irland im Jahre 1801. Die Londoner Regierung vertrat die Ansicht, auf diese Weise künftigen Rebellionen besser entgegenwirken zu können. Damit war die 500-jährige Existenz des Dubliner Parlaments beendet. Die zukünftigen Interessen Irlands wurden im Londoner Unterhaus geregelt, wofür 100 neue irische Wahlkreise geschaffen wurden. Die katholischen Bischöfe Irlands unterstützten mehrheitlich diesen Schritt, zumal sie sich von London Zugeständnisse für die Kirche erhofften.

Es tat sich jedoch anfangs diesbezüglich nichts, sondern es wurde weiterhin von Katholiken, wenn diese ein öffentliches Amt übernehmen wollten, jener Eid verlangt, der die Ablehnung fundamentaler katholischer Dogmen und die Teilnahme am anglikanischen Abendmahl forderte. Trotz der bereits erwähnten Emanzipationsgesetze von 1778 und 1793 gelang es im frühen 19. Jahrhundert Katholiken kaum, ihre Teilhabemöglichkeit zu nutzen. So waren noch 1828 von 1314 Stellen im Justizwesen nur 39 mit Katholiken besetzt und unter 3033 Beamten fanden sich nur 134 Katholiken.

1803 erfolgte jedoch schon der nächste Aufstand unter Robert Emmet, dessen Bruder bereits 1798 mit Wolf Tone gekämpft hatte. Der dilettantisch geplante und ausgeführte Aufstand scheiterte. Emmet und 25 seiner Mitstreiter wurden hingerichtet. Im protestantischen Lager Großbritanniens wurde daraufhin erneut die antikatholische Propaganda angekurbelt. Als Beispiel sei hier Richard Musgraves genannt, dessen Buch Memoirs of the Different Rebellions in Ireland („Denkschrift der verschiedenen Aufstände in Irland“), bereits 1801 in London erschienen, zu einer Quelle antiklerikaler Verschwörungstheorien wurde. Dazu nahmen in Irland die Konversionsversuche evangelikaler Bibelgesellschaften zu, die im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts 4,5 Millionen Traktate unters Volk brachten. Ein großer Erfolg blieb aus, jedoch wurde damit die konfessionelle Spaltung auf der Insel weiter vertieft.

1805 scheiterte der von Premierminister Pitt eingereichte Antrag zur politischen Gleichstellung von Katholiken am Einspruch König Georgs III.

Die katholische Priesterschaft und das katholische Bürgertum waren gegen gewalttätige Veränderungen, da auch sie – wie ihre Bischöfe – darauf hofften, dass den ersten Gesetzen von 1778 und 1793 weitere folgen würden. Die volle Emanzipation kam mit dem katholischen Anwalt Daniel O’Connell, der 1823 die Catholic Association gründete. Diese Organisation mobilisierte Zehntausende von Menschen, die friedlich für ihre Rechte demonstrierten. Später hatte sie eine halbe Million Mitglieder. Die flächendeckende Präsenz seiner Organisation sowie die Schaffung eines soliden finanziellen Fundaments erreichte er durch die Einbindung des niederen Klerus, der die Monatsbeiträge von nur einem Penny (was sich damals auch ärmere Leute leisten konnten) von allen Kirchgängern, etwa einem Drittel der katholischen Bevölkerung, einsammelte. Zunächst unterstützte die Organisation Katholiken bei der Wahl zum Parlament in Westminster, da die Wahlen damals nicht geheim waren und es für Pächter ein hohes Risiko war, gegen die lokalen Grundherren zu stimmen bzw. gegen den Kandidaten, den ihr jeweiliger Grundherr ihnen nahelegte. Die Organisation stellte Finanzmittel zur Verfügung, um aus diesem Grund vertriebene Pächter zu entschädigen. 1828 trat O’Connell selbst bei einer Nachwahl als Kandidat an (obwohl er als Katholik gar nicht wählbar war!) und erhielt 67 Prozent der Stimmen. Die Regierung in London stand jetzt vor der Wahl, entweder auf den Eid für Parlamentsmitglieder zu beharren – O’Connell somit seinen errungenen Sitz zu verweigern – und einen offenen Aufruhr in Irland zu riskieren oder von der bestehenden Diskriminierung abzurücken. Aufgrund der überwältigenden und damit den inneren Frieden bedrohenden Größe der Massenorganisation O’Connells und aufgrund der Haltung des neuen Königs Georg IV., der weniger starrsinnig als sein Vater war, trat 1829 der Catholic Relief Act (ein Emanzipationsgesetz) in Kraft, der den irischen Katholiken die rechtliche Gleichstellung brachte. Es blieben jedoch noch einige Beschränkungen bestehen: So durfte die hl. Messe nicht im Freien abgehalten werden und es durften weiterhin keine Kirchtürme und Glocken errichtet werden; die Catholic Association musste sich auflösen. Politisch weitreichender war die mit dem Relief Act verbundene Einschränkung des Wahlrechts. Durch die Erhöhung der Besitzqualifikation für die Ausübung des aktiven Wahlrechts von 40 Schilling auf 10 Pfund sank die Zahl der stimmberechtigten Katholiken von ca. 216.000 auf 37.000.

Anmerkungen

1 Büchele, Markus: Autorität und Ohnmacht. Der Nordirlandkonflikt und die katholische Kirche (Histo­rische Mitteilungen im Auftrage d. Ranke-Gesellschaft (HMRG), Bd. 77). Stuttgart (Franz Steiner) 2009, S. 27.

2 Büchele, S. 30.

3 Otto, Frank: Der Nordirlandkonflikt. Ursprung, Ver­lauf, Perspektiven. München (C.H. Beck) 2005, S. 20. NB: „Papist“ war ein damals gebräuchliches Schimpf­wort für Katholiken allgemein.

4 Multhaupt, Hermann: Das große Irland-Buch. Gebe­te, Segenswünsche & Geschichten. Mit dem historischen Roman „Cromwells Rache“. Leipzig (St. Benno) 2007, S. 214.

5 Ebd., S. 214.

6 Ebd., S. 215.

7 Ebd., S. 215.

8 Der Act of Royal Supremacy (Suprematseid) wurde von Heinrich VIII. 1534 eingeführt und erklärte den englischen König zum Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche. Im Laufe der Zeit mehrfach umgeändert, besagte er im Prinzip jedoch immer dasselbe: Auf Ver­langen musste jeder Untertan schwören, dass er nicht an sieben, sondern nur an zwei Sakramente glaube und nicht der Papst, sondern der König das Oberhaupt der Kirche von England sei.

9 Multhaupt, S. 215–216.

10 Otto, S. 23. NB: Diese kriegsentscheidende Aktion und die anschließende erfolglose Belagerung der Stadt durch die Katholiken symbolisieren für die Protestan­ten Nordirlands heute noch ihre unbeugsame Haltung bis zum Sieg über ihre katholischen Widersacher. Die Oranier-Loge wird weiter unten erläutert.

11 Ebd., S. 24.

12 Noetzel, Thomas: Geschichte Irlands. Vom Erstar­ken der englischen Herrschaft bis heute. Darmstadt (Pri­mus) 2003, S. 37.

13 Ebd., S. 37.

14 Ein anderer gebräuchlicher Name, der sich von ihrer bevorzugten Operationszeit im frühen Morgengrauen (wenn die ersten Kücken „piepen“) herleitete, siehe El­vert, Jürgen: Geschichte Irlands. München (dtv) 41999, S. 306.