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Die romanische Kirche

Erschienen in:
DGW-2011-1-Lets-talk-about-Pop

Burg und Festung Gottes (Romanik: 800 bis 1250)

Die zeitlichen Grenzen der Romanik lassen sich wie fast alle Baustile nicht eindeutig festlegen. Sie variieren von Land zu Land. So gab es meist eine Übergangsphase von 50 bis 100 Jahren, bis sich ein neuer Stil durchsetzte und verbreitete. Ganz grob kann man die Romanik in Deutschland etwa in den Zeitraum von 800 bis 1250 datieren und in die Vorromanik (800–900), die Frühromanik, die Hochromanik und die Spätromanik einteilen. Entsprechend den herrschenden Kaiserhäusern dieser Zeit spricht man auch von karolingischer, ottonischer, salischer und staufischer Romanik. Geografisch erstreckte sich die „romanische Welt“ von Skandinavien und Island bis nach Sizilien, vom Atlantik bis zur Weichsel (Polen) und Siebenbürgen (Rumänien). Geeint war das ganze Gebiet durch die lateinische Sprache und die römische Kirche.

So wuchs um das Jahr 1000 eine Fülle von Domen und Kathedralen in allen Ländern Europas empor, gewaltig in den Ausmaßen und zur Zeit der Spätromanik reich in der Ausschmückung. Diese großartige und sakrale Bautätigkeit wurde besonders ergänzt und gefördert durch die monastischen Klosterreformen, ausgehend vom Benediktinerkloster Cluny (Burgund) und dem Orden der Zisterzienser (hl. Bernhard von Clairvaux). Von beiden Orden gingen entscheidende Anregungen aus. Ihre Äbte waren nicht nur religiöse Reformatoren, die das Ideal ihres Ordens wiederherstellten, sie machten ihre Klöster neben dem religiösen Leben auch zu Stätten des wirtschaftlichen, kulturellen und künstlerischen Lebens. Die Werke der romanischen Kunst sind fast ausschließlich Werke der kirchlichen Kunst, die Bauten fast alle Sakralarchitektur. Wenn auch von Land zu Land einige wenige regionale Unterschiede feststellbar sind in der Gestaltung verschiedener Bauelemente, so kann man sagen: Die Romanik war der erste länderübergreifende, gesamteuropäische Architekturstil im christlichen Abendland.

Der Rundbogen ist das bestimmende Element der Romanik: Rundbogenportale im Eingangsbereich, Rundbogenfenster, Rundbogenfries um die Kirche herum als Zierwerk.

In der Frühromanik hielt man im deutsch-französischen Raum noch sehr am Grundriss und an der Grundform der dreischiffigen, römischen Basilika fest. Später wurde diese Form immer mehr ergänzt mit Elementen, wie Querschiff, Westchor mit Apsis (vgl. die Dome von Mainz 1081, Worms 1125, die Abtei Maria Laach (Eifel) 1093, St. Michael in Hildesheim 1010) sowie Vierungsturm und mehreren Flankentürmen.

Wurde in romanischen Kirchen zwischen Mittelschiff und Chorraum ein Querschiff eingeschoben, so bilden seine Schnittstellen das für das ganze Mittelalter typische Vierungsquadrat. Es wird durch einen eigenen Vierungsturm zusätzlich betont.

Sein meist quadratischer Grundriss galt fortan als Maß für die Einteilung des Mittelschiffes in gleich große Raumabschnitte. Sehr oft entspricht die Breite der Seitenschiffe jeweils der Hälfte des Vierungsquadrates und somit der Breite des Mittelschiffes.

Mittelalterlicher Symbolik nach ist der Westen die Himmelsrichtung, die dem Heil der aufgehenden Sonne entgegengesetzt ist, die Gegend des Bösen, der Sitz dämonischer Mächte. Der mit einem oder mehreren wehrhaften Flankentürmen ausgestattete Westteil großer romanischer Kaiserdome (Mainz, Worms, Speyer) ist diesen dunklen Mächten entgegengestellt und symbolisiert in seinem festungsähnlichen Aufbau Abwehr und Kampf gegen diese Mächte. Den dämonischen Mächten tritt nach mittelalterlicher Vorstellung der Erzengel Michael entgegen. Ihm ist im Westteil meistens ein Altar oder eine eigene Kapelle geweiht. Aus diesem Blickwinkel wird klar, dass man die Kirche nicht nur wegen ihrer dicken burg- und festungsähnlichen Mauern als Trutzburg und uneinnehmbare Festung Gottes gegen das Böse ansah.

Der Westen steht ebenfalls für die weltliche Gewalt (Sitz des Kaisers in der Empore), der Osten dagegen für die geistliche Gewalt des Klerus. Das Hauptportal liegt im Westen und verkörpert das Dunkle. Chorraum und Altar liegen im Osten, der für Licht und damit für Christus steht. Man tritt also symbolisch aus der Dunkelheit ins Licht (Deutung der waagrechten Symbolik).

Wie sich der Gegensatz von weltlicher und geistlicher Gewalt symbolisch in Dunkelheit und Licht widerspiegelt, ist auch die Beziehung zwischen Krypta und Vierungsturm (in der senkrechten Deutung) eine Besondere: Beide Wege, von West nach Ost, also vom Dunkel zum Licht, und von unten nach oben, vom Irdischen zum Himmlischen, kreuzen sich im Vierungsquadrat. Dem Vierungsturm selbst kommt eine wichtige Bedeutung zu: Er steht im Schnittpunkt des Grundriss-Kreuzes, weist wie ein Finger nach oben, himmelwärts, und verkündet für die darunter in der Krypta begrabenen Personen die Auferstehung und die Hoffnung auf das ewige Leben.

Waren die Krypten anfangs noch recht niedrig und klein, wurden sie im Laufe der Zeit zu großen Säulenhallen ausgebaut. Eine der größten und höchsten ist die dreischiffige Hallenkrypta im Dom zu Speyer, in der viele deutsche Kaiser und Kaiserinnen bestattet sind. 1041 geweiht, war sie schon damals so beindruckend, dass sie zum Vorbild für die Krypta im Dom zu Lund in Südschweden wurde. Ebenfalls sehr groß ist die Krypta von St. Maria in Kapitol in Köln (um 1015). Sehr schön, wenn auch bedeutend kleiner ist die Krypta in der Dominikanerkirche St. Andreas in Köln mit dem Grab des hl. Albertus Magnus, des Lehrers des hl. Thomas von Aquin.

Die Mittelschiffwände romanischer Kirchen waren reich mit Freskenmalereien ausgeschmückt. Im westlichen Teil (Eingangsbereich) waren meist Szenen aus der Schöpfung sowie Urväter, Propheten und Könige des Alten Bundes dargestellt. Das war der Bereich ante legem („vor dem Gesetz“).

Im mittleren Bereich vor der Vierung war die „Zeit des Gesetzes“ (sub legem) mit Szenen und Gestalten aus dem Neuen Testament sowie die Apostel, Märtyrer und Heilige dargestellt.

Im Chorraum und in der Apsis waren die Heilsgeschichte („Zeit des Heiles“) und die Offenbarung („Zeit der Gnade“ – sub gratia) durch Christus dargestellt.

Leider ist von den Malereien in den meisten Kirchen und Kathedralen nichts mehr erhalten geblieben. Besonders sehenswert und im Original erhalten sind aber die Fresken in der ehemaligen Stiftskirche St. Georg in Oberzell auf der Bodenseeinsel Reichenau um 990.

Vor allem in kleineren Kirchen und Krypten sind einige Wandmalereien erhalten geblieben, so auch in der ehemaligen Benediktinerabteikirche St. Andreas in Fulda-Neuenberg.

Gegen 1100 gelang es, den Innenraum einzuwölben. Die bisher verwendete Flachdecke war Zimmermannsarbeit. Der Speyrer Dom ist der erste Bau des Abendlandes, der seit der Antike wieder einen so großen völlig überwölbten Raum aufweist. Hier wurde erstmalig das Kreuzgratgewölbe verwendet. Die Seitenschiffe wurden gleich um 1030 eingewölbt. Das Mittelschiff bekam erst unter Heinrich IV. (Gang nach Canossa) das große Kreuzgratgewölbe. Deutschland war hier im 11. Jh. führend und viele Kirchen im Norden sind von Speyer inspiriert, so z.B. die Dome in Viborg in Dänemark, Bergen in Norwegen und Lund in Südschweden.

Romanische Kirchen in Deutschland sind: St. Michael in Hildesheim, St. Cyriakus in Gernrode, der Dom in Paderborn sowie die Bartholomäuskapelle, die Klosterkirche St. Vitus in Corvey (Westfalen), der Dom in Essen, die Ruine der Stiftskirche in Bad Hersfeld, St. Michael in Fulda (gegenüber dem Dom), die Abteikirche Maria Laach, die Kaiserdome in Mainz, Worms und Speyer, der Dom in Bamberg, St. Georg in Oberzell auf der Insel Reichenau (Bodensee) mit innen erhaltenen herrlichen Malereien sowie die Kirchen in Mittel- und Unterzell.

 

Erscheinung und Stil

Hauptkennzeichen romanischer Kirchen sind:

• massive, dicke burgähnliche Mauern (Massivbauweise),

 • Rundbogenfenster,

• Rundbogenportale,

• Stützenwechsel (Pfeiler und Säulen),

• Würfelkapitelle als Säulenabschluss,

• Vierungsturm,

• gedrungene viereckige und runde Türme mit stumpfen, flächigen Sattel-/ Faltdächern,

• Krypta.