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Die verfolgte Kirche im Osten
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Ein Ordensbruder, der mit der KJB im täglichen Gebet verbunden ist, hat uns den folgenden Bericht zugesandt. Es ist sein besonderes Anliegen, unsere Aufmerksamkeit auf die verfolgten Brüder im Osten zu richten. Er will aus Bescheidenheit ungenannt bleiben.
Die religiöse Wiedergeburt in Rußland – eine Realität
„Keine Nation der Erde erlebte je eine umfassendere und raffiniertere Verfolgung und solch grausame Tortouren sowohl körperlicher als auch geistiger Art wie die Völker der Sowjetunion. Zum erstenmal in der Geschichte wurde nicht mehr – wie bisher – gegen eine bestimmte Religionsform gekämpft, sondern gagen die Religion an sich, dagegen, daß Gott ist und verehrt wird“, wie Pius XI. schon 1937 (in „Divini Redemptoris“) über der atheistischen Kommunismus klarstellte. Jeder Glaube, ja selbst der Gedanke an die Existenz eines höheren Wesens sollte aus den Herzen der Menschen gerissen, der Mensch von der Wurzel her, in seinem Wesen, verändert werden und eine neue innere Struktur erhalten, die nicht nur a-religiös. sondern anti-religiös geplant war. Hierzu wurde ein Umschulungssystem geschaffen, wie es die Welt bisher noch nicht gesehen hatte. Durch eine „wissenschaftlich“ betriebene und perfekt organisierte Propaganda, sowie durch die Entsendung von hunderttausenden, nach strengsten Kriterien ausgewählten und bestens vorbereiteten Aposteln wurde das NEUE EVANGELIUM des Marxismus-Leninismus – der Atheismus – in unzähligen Büchern und Schriften, in Vorträgen und Konferenzen, in Schule und Betrieb, im privaten und öffentlichen Bereich verbreitet, um den NEUEN MENSCHEN aufzubauen, „frei“ von Gott, gegen Gott und über Gott.
Die Folge davon waren Millionen von unschuldigen Opfern: hunderte von Bischöfen, tausende von Priestern und unzählige christliche und nicht-christliche sowjetische Bürger erlitten Repressionen, Verfolgungen, Verbannung, Gefängnis, Lager und Irrenanstalt, d.h. den physischen oder psychischen Tod wegen ihrer „anderen“ Überzeugung oder ihres Glaubens, also auf Grund ihres Eintretens für die Wahrheit und gegen jede Verletzung der verfassungsmäßig garantierten Menschenrechte durch die staatliche Obrigkeit.
Der Versuch, die Religion und die in/ihr beschlossenen ewigen Wahrheiten und Werte zu vernichten hatte unvorhergesehene Folgen: nicht Auflösung und Tod, sondern die Entstehung neuen geistigen Lebens und die religiöse Wiedergeburt eines Volkes im Zeichen des Kreuzes Christi unter den Leiden und Schmerzen des mystischen Kreuzweges. Religion und Christentum werden in der Sowjetunion mit einer solchen Begeisterung wiedergeboren, die nur mit jener der ersten Christen zu vergleichen ist. Die Menschen sind ohne Haß trotz der Verfolgungen und Ungerechtigkeiten, die sie täglich von neuem erleiden, sie bemühen sich, ihre Peiniger zu lieben und beten deshalb für ihre Bekehrung, verurteilen sie nicht. Sie wollen ihre Heimat nicht politisch oder wirtschaftlich, sondern geistig verändern und sind allein von dem Gedanken getragen, Gott zu suchen und ihm zu dienen nach seinem Gesetz, dem Evangelium, und dem Nächsten, egal ob Christ oder Atheist. 50 Jahre ununterbrochene Atheisierungsarbeit in der UdSSR haben einzig und allein bewiesen, daß die Worte: „Die menschliche Seele ist von Natur aus christlich“ auch heute noch gültig sind, d. h., daß die menschliche Seele ihrem Wesen nach religiös ist und durch nichts und durch niemanden in ihrem tiefsten Grund verändert werden kann.
„Ich habe im Gefängnis gesessen, ich habe dort meine Seele großgezogen. Ich wiederhole unbeirrt: Sei gesegnet, Gefängnis, daß du in meinem Leben gewesen bist!“ – Alexander Solzenicyn
Und der sowjetische Schriftsteller Maximov stellt fest: „Was Rußland angeht, bin ich völlig beruhigt. Die christliche Wiedergeburt in Rußland – das ist schon keine Hoffnung mehr, sondern eine tägliche Realität. seit zwei, drei Jahren ist bei uns eine ungeheure Bewegung im Gange: die Menschen wenden sich vom Marxismus ab und fangen wieder an zu glauben, ganz radikal… Fünfzig Jahre Kampf gegen die Religion haben nichts bewirkt, aber auch gar nichts. Wir begreifen nun: wir müssen uns zum Evangelium bekennen, dann werden wir die Verhältnisse ändern.“
Alle Anzeichen sprechen dafür, daß der Durst nach Wahrheit, d.h. nach Gott, größer geworden ist. Kunde davon geben die immer zahlreicheren umd Beistand flehenden Stimmen und die immer lauteren Hilfeschreie. Sie erleben heute in Rußland etwas ähnliches, wie der Apostel Paulus vor fast 2000 Jahren, als an ihn der Ruf erging: „Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! (Apg 16,9)“.
Ein Bischof aus der Tschechoslowakei sagte über den dortigen Kirchenkampf: „Die atheistischen Kommunisten haben in ihrem Kampfplan alle menschlichen Elemente genaustens studiert und eingeplant: die Bischöfe, Priester, Ordensleute, Schwestern, Seminaristen, Presse, Organisationen, Schule usw. Nur ein Element haben sie vergessen, bzw. seine entscheidende Wichtigkeit verkannt: den HEILIGEN GEIST! Und deshalb werden sie diesen Kampf verlieren
– Fr. M.
Einige Beispiele für den gnadenlosen Kampf gegen die katholische Kirche:
1946 liquidierten die Organe der Geheimpolizei die griechisch-katholische (unierte) Kirche der Westukraine. Die Priester, die nicht zur orthodoxen Kirche übertraten, wurden auf Grund falscher Anklagen in lager gesperrt. Dennoch existierte die unierte Kirche im Geheimen weiter. Als sie in den letzten Jahren ihre Aktivitäten verstärkte, vermehrten sich auch die Verhaftungen und Verfolgungen von Priestern durch die Miliz
Am 18. Oktober 1968 wurden etwa 10 Wohnungen der unierten Priester durchsucht. Hierbei wurden Kultgegenstände und sogar die Eucharistie beschlagnahmt – also eine offensichtliche Einmischung in die Sphäre der reinen Kultausübung. Ende 1968 wurden zwei ukrainische Priester verhaftet, im Januar 1969 der Geheimbischof der griechisch-katholischen Kirche Velickovskij.
1972: 180 katholische Ukrainer des byzantinischen Ritus aus der Stadt Stryj richten eine Petition an den Sovjet für „Religiöse Angelegenheiten“ beim Ministerrat der UdSSR, um eine Autorisation für die Eröffnung einer Kirche zu bekommen. Sie weisen darauf hin, daß sie gezwungen sind, sich im Freien zu versammeln, wenn sie nicht in eine orthodoxe Kirche gehen wollen.
1973: Pater VLadimir Prokopiv begibt sich mit einer von 12000 katholischen Ukrainern unterzeichneten Petition nach Moskau, um die Erlaubnis zur Eröffnung einer Kirche zu erreichen. Im Dezember des gleichen Jahres wird Pater Vladimir verhaftet.
Am 12. November 1971 wird der Priester Bubnys zu einem Jahr Lager verurteilt, weil er Kindern Religionsunterricht gegeben hat. In ganz Litauen sind die Gläubigen darüber aufs tiefste empört. Ausdruck ihrer Empörung ist das in der ganzen Welt bekannt gewordene Memorandum der katholischen Litauer. In kürzester Zeit und trotz Schwierigkeiten durch die Polizei werden 17054 Unterschriften gesammelt, die höchste Zahl von Unterschriften, die jemals ein Samisdatdokument erreichte. Die Gläubigen solidarisieren sich darin mit dem verurteilten Priester und verlangen größere Freiheiten auf dem Gebiet der Religion.
16. November 1972: Pater Bubnys kehrt nach Verbüßung der seiner Haft in die Freiheit zurück, wo schon eine große Schar von Priestern und Gläubigen auf ihn wartet. Bei seiner ersten Messe ist die Kirche mit Gläubigen überfüllt. Alle spürten, daß das im Lager verbrachte Jahr nicht nur ein Sieg Pater Bubnys, sondern der ganzen litauischen Kirche war.
14. Mai 19ri2: Der 3tudent Romas Kalanta stirbt in Kaunas (Litauen) freiwillig den Flammentod, aus Protest gegen die sowjetische Unterdrückung und als Mahnzeichen für die Welt. Weitere fünf Litauer folgen seinem Beispiel. Die Unzufriedenheit des Volkes nimmt Formen und Ausmaße an, die den staatlichen Behörden ernsthafte Sorgen bereiten. Denn es handelt sich um eine Bewegung auf der Grundlage einer starken religiösen Dynamik. R. Kalanta hatte um Eintritt in ein Priesterseminar nachgesucht, doch die Partei hatte, „nein“ gesagt. Der Kampf gegen die Religion geht weiter. Be- sonders über das staatliche atheistische Erziehungsmonopol darf nicht einmal diskutiert werden.
März 1973: Schüler und katholische Eltern wenden sich in einem Schreiben an das Unterrichtsministerium und verlangen die Einstellung der Diskriminierung der gläubigen Schüler in der Schule. Von den 14 604 Unterzeichnern der Eingabe sind 25% Studenten. Ein aus der gleichen Zeit stammendes Dokument an das Delegat für religiöse Angelegenheiten sammelt 16 800 Unterschriften von Katholiken.
April 197: Die Jagd auf die Unterzeichner der beiden Schriften und besonders auf die unbekannten Redakteure der katholischen Untergrundzeitschrift L.K.B. Kronika beginnt. Aber die Gläubigen lassen sich in ihrer mutigen Haltung nicht einschüchtern und ihre Bitten werden immer kühner.
31. August 19)3: 546 Katholiken schicken eine Petition an den obersten Sovjet. Hierin fordern sie die Erlaubnis, religiöse und karitative Vereinigungen zu gründen, religiöse Bücher und Zeitschriften zu publizieren und die Zusicherung einer größeren Freiheit für die religiöse Erziehung. „Die litauischen Priester verlangen von ihren Bischöfen eine glaubensgemäßere und überzeugendere Haltung, nicht Diplomatie. Sie bezweifeln keineswegs deren Autorität, aber bestreiten die Logik ihrer „Realpolitik“ und bekennen sich zur Torheit des Kreuzes. Es ist der Glaube, der die Welt besiegt und die Solidarität der Christen, nicht die Diplomatie. Doch das, wes die katholische Kirche Litauens vor allem erreicht ist: Ein Wachsen in der Treue zu Christus und seinem Wort der gegenseitigen Liebe.