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Ehe als Berufung
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Wenn wir von Berufung sprechen, denken wir meist an Priester und Ordensleute, an einen kleinen Kreis von Personen, die in besonderer Weise begnadet und durch den Zölibat von der Menge der Menschen unterschieden sind. Dabei übersehen wir allzu leicht, dass auch die Ehe in ihrem eigentlichen und vollen Sinn ein hohes Ideal ist, und dass man sie daher auch als Berufung auffassen kann darf, ja soll.
Schon der erste Keim für eine Ehe – vorausgesetzt, dass er so ist, wie er sein soll -, die reine, bräutliche Liebe, ist von einem einzigartigen Zauber, von einer Schönheit und einem Glück, das im irdischen Bereich nicht seinesgleichen hat. Drum beschreibt auch der alttestamentliche Schriftsteller des Hohenliedes gerade unter dem natürlichen Bild der jungfräulichen Liebe eines Liebespaares die übernatürliche Liebe zwischen Jahwe und seinem auserwählten Volk.
Reift der Keim gesund heran, wird er zur Hoch-Zeit des Lebens. Das Liebesideal, zuerst stark gefühlsmäßig in beseligender Schau gesehen und erlebt, will nun vom ganzen Menschen ergriffen, erkämpft und erobert werden, vom ganzen Menschen, mit dem Herzen, mit dem Willen, in Prüfungen, im Leid, im Opfer, hingerichtet auf den auserwählten, konkreten, lebendigen Menschen. Mit ihm zusammen soll dieses Liebesideal „Fleisch“ werden –eine Lebensaufgabe: die Ehe-.
Nicht der liebeshungrige Mensch hat dies erfunden; sondern das Urbild der Liebe, der dreifaltige Gott, will seine Liebe offenbaren, erscheinen lassen. Eine dieser Erscheinungsformen seiner Liebe, die normale Erscheinungsform sozusagen, ist die Ehe: „So schuf Gott den Menschen als sein Abbild. Als Gottes Abbild schuf er ihn. Er schuf sie als Mann und Frau.“ (Gen. 1,27) Die Ehe ist also ein Abbild der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, der unerschaffenen dreifaltigen Liebe.
Nicht dass die Ehe die einzige Möglichkeit wäre, die Liebe zu verwirklichen, sie hat nur das Besondere, dass sie sich ein anderes erschaffenes Du zu einem Lebensstand erwählt und dass daraus Nachkommenschaft hervorgeht, so wie ja auch Gott Vater und Gott Sohn nicht allein sind, sondern aus beiden Gott der Hl. Geist hervorgeht. Man sieht, welch hoher Ruf in der Ehe verborgen liegt.
Christus hat für die gefallene Menschheit auch die Ehe wiederhergestellt, indem er sie zum Sakrament gemacht hat. Wie erhaben dieses Sakrament ist, sagt uns der hl. Paulus: „Dieses Geheimnis (das Sakrament der Ehe) ist groß; ich deute es aber auf Christus und die Kirche.“ (Eph. 5;32) Die sakramentale Verbundenheit zwischen Mann und Frau soll uns die innige Liebe zwischen Christus und seiner Kirche veranschaulichen. Und schließlich hat Christus die Ehe auch dadurch geheiligt, dass er rechtmäßiger Sohn einer rechtmäßigen Ehe sein wollte.
Wenn auch –objektiv gesehen- der geistliche Stand höherrangig ist, da er sich ungeteilt Gott schenkt, so ist doch die Ehe nicht etwa bloß ein Lückenbüßer für solche, denen dieser Rang zu hoch ist, sondern für den Heiratswilligen ganz persönlich ein hohes Ideal, ein Ideal, an dem er sich heiligen kann und soll, ein Ideal, zu dem Gott ihn ruft und sein Ja-Wort fordert. Gerade also wenn man die Ehe in ihrer Fülle, im christlichen Sinn versteht, wird sie zur Berufung, zu einer Lebensentscheidung auf einen Aufruf Gottes.
Ist es darum verwunderlich, wenn in unserer Zeit, da die Priester- und Ordensberufungen spärlicher werden, auch die Zahl der Eheschließungen deutlich zurückgeht? Oder ist dies nicht fast zwangsläufig in dem Maße, wie die Menschen das Streben zum Unendlichen, ihre Dimension zum End- und Ewiggültigen aus dem Auge verlieren?
Drum ist es gerade in unseren Tagen als große Gnade anzusehen, inmitten der „Ehen auf Zeit“ eine christliche Ehe führen zu können.