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Filmbesprechung: Der Untergang der Borgias

Erschienen in:
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Gemeinhin werden mit dem Namen der spanischen Adelsfamilie Borgia Intrigen, Machtgier und sexuelle Ausschweifung verbunden. Daher verwundert auch die große Popularität dieser Familie bei der Filmindustrie nicht; allein im Jahr 2011 wurden zwei groß angelegte Fernsehserien über die Borgias und ihren bekanntesten Sprössling, Papst Alexander VI. (Rodrigo Borgia 1431–1503), produziert; die eine wurde durch öffentliche, die andere durch einen privaten Geldgeber finanziert.

Erstere mit dem Titel „Borgia“ des Regisseurs Oliver Hirschbiegel („Der Untergang“) und Drehbuchschreibers Tom Fontana („OZ“; amerikanische Fernsehserie über ein Hochsicherheitsgefängnis) war eine 25 Millionen Euro teure europäische Koproduktion verschiedener öffentlicher Fernsehanstalten. Sie wurde Ende Oktober 2011 sowohl im deutschen (ZDF) als auch im österreichischen (ORF 2) Fernsehen als Sechsteiler zur besten Sendezeit ausgestrahlt.
Dem Preis entsprechend wurde das Projekt auch sehr aufwendig und detailreich, besonders bei den Kostümen und Requisiten (12 Kilometer prachtvoller Kostümstoff, 157 Liter Kunstblut, 4000 Kerzen …), umgesetzt.
Diese aufwendige Umsetzung war aber anscheinend nur durch das Sparen an der Recherche für das Drehbuch zu realisieren, denn auch wenn die Quellen über die Renaissance teilweise widersprüchlich und vage sind, müsste es angesichts eines solchen Budgets möglich sein, ein historisch fundiertes Skript zu verfassen.
Selbstverständlich muss ein Film, der auf historischen Ereignissen basiert, mit diesen nicht vollständig übereinstimmen. Sobald jedoch die Umsetzung des Filmes „authentisch“ genannt wird, müsste man als Zuschauer jedoch schon erwarten dürfen, dass Gebäude, in denen längere Szenen spielen, auch tatsächlich zu dieser Zeit fertiggestellt waren und die im Film gezeigte Funktion hatten. In „Borgia“ findet beispielsweise das Konklave 1492, aus dem Alexander VI. als Papst hervorging, in der Sixtinischen Kapelle statt. Diese war allerdings zur genannten Zeit weder fertiggestellt noch Sitzungsort des Konklaves.
Die genannten historischen Ungenauigkeiten entkräften zwar den Authentizitätsanspruch des Regisseurs, sind an sich aber nicht das eigentlich Problematische an dem Film.
Die Problematik bei dieser Serie liegt in der verfälschenden Darstellung der Personen. Der Einfachheit halber wurden bekannte Legenden über die Borgias, die teilweise nachweislich fehlerhaft und oftmals auch unrealistisch sind, übernommen. Alexander VI. wird einseitig als skrupelloser und moralisch fragwürdiger Machtpolitiker gezeigt; positive Aspekte seines Pontifikats, die es entgegen allgemeiner Auffassung tatsächlich gab, wurden geflissentlich übergangen. Alexander VI. reduzierte beispielsweise durch das Anordnen sorgfältiger Untersuchungen und durch hartes Vorgehen gegen Mörder die hohe Mordrate Roms. Auch weiteren seiner Zeitgenossen werden dubiose Geschichten, die von Misshandlungen bis zur Aufopferung eines Kindes reichen, angedichtet. Diese hier alle anzuführen würde den Rahmen dieser Filmbesprechung sprengen.
Neben der historisch verfälschenden Darstellung ist auch die übertriebene Fokussierung auf Gewalt- und Sexszenen zu kritisieren. Nach der Ausstrahlung war sich selbst die deutsche Presse darüber einig, dass die Serie an die Grenze des Jugendschutzes gehe (wörtlich auf Spiegel online so zu lesen).
Nun wurden aber schon von der Originalfassung (Spieldauer 654 Minuten), die erst ab 18 Jahren freigegeben ist, vor der Ausstrahlung 58 Minuten herauszensiert – zur Erinnerung: Es handelt sich hierbei wohlgemerkt um eine mit öffentlichen Geldern finanzierte Fernsehserie.
Angesichts der enormen Geldmittel hätte man wirklich einen hervorragenden Film über die Renaissance verwirklichen können, doch leider handelt es sich bei dieser Produktion größtenteils um eine Verfälschung der Person Alexanders VI. und seiner Familie auf niedrigstem Boulevardniveau, die traurigerweise auch noch vom öffentlichen Fernsehen finanziert und ausgestrahlt wurde. Solche Fernsehserien wirken umso schlimmer nach, da sie vom Durchschnittszuschauer oftmals aus reiner Naivität – oder weil sie mit dem Inhalt des Lieblingsbuches übereinstimmen – historisch für wahr gehalten werden und mit ihrer unterschwelligen Botschaft die ohnehin allgemein verbreitete Meinung über die Kirche als korrupten Verein scheinheiliger Machtpolitiker bestärken.