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Im Kreuz liegt Heil

Erschienen in:
dgw-april-1979

Jeder von uns hat ein Kreuz zu tragen. Das ist eine Tatsache, die man nicht wegleugnen kann. Bei dem einen liegt sein Kreuz in seiner Familiensituation, bei dem anderen in einer unheilbaren lebenslänglichen Krankheit. Wieder ein anderer wird von seiner Umwelt gepeinigt – und so könnte man fortfahren. Das Kreuztragen ist keine einfache Sache. Es erfordert viel Opfergeist, Demut und Willensergebung. Gerade diese Begriffe werden vom „modernen“ und „aufgeschlossenen“ Menschen nur allzu häufig von oben herab belächelt und als verstaubte Wertbegriffe aus Großmutters Zeiten in die Schublade geschoben. Und doch, wie wichtig sind sie, besonders in unserer Zeit, die systematisch daran arbeitet, den Opferwillen, die Bereitschaft zum Kreuztragen, im Bewußtsein der Menschen auszulöschen: „Nicht wenige Institutionen und Organisationen predigen suggerierend und manipulierend die Idee der persönlichen Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Wo kann da heute noch der Wille zum Opfer, d.h. zum Kreuz existieren, wenn er sozusagen erdrückt wird durch Parolen und Schlagworte?

Schauen wir uns um. Nur noch wenige ergeben sich ganz dem Willen Gottes und tragen in geduldiger Aufopferung ihr Kreuz. Die meisten jedoch möchten sich schnell und möglichst sicher der Last ihres Kreuzes entledigen. Wir wissen um die Wege, die die heutige Menschheit geht oder sucht, um sich von den Lasten, die das menschliche Dasein mit sich bringt, zu befreien. Ein Blick auf die vergangenen Jahre genügt, um sagen zu können, daß die Menschheit gerade in diesem Punkt gewissermaßen immer erfinderischer geworden ist. Man will nichts Unangenehmes mehr ertragen, man will um jeden Preis „glücklich“ und „ohne Sorgen“ leben, man will um jeden Preis Lustgefühle haben. Darum wird auch der Siegeslauf der Betäubungsmittel, sei es Rauschgift oder Alkohol, durch die Welt immer größer – nur keine Beschwernisse, nur keine Lasten tragen!

Doch es ist eigenartig: wenn jemand versucht, sein persönliches Leid abzuschütteln, wenn er nicht gewillt ist, es zu tragen, wenn er also den Auftrag Gottes – was ist das Kreuztragen anderes als ein Auftrag, den Gott uns gibt – nicht erfüllen will, so kommt es auf ihn zurück und zwar doppelt so schwer. Sein Leben kommt dann erst unter Kreuz und schwere Belastung, und das ist nicht verwunderlich. Das Abschütteln des Kreuzes bringt nicht die ersehnte Freude und Befriedigung – nein, der Weg des „Kreuzentledigens“ ist ein purer Trugschluß! Das Leben unseres Herrn Jesus Christus war von der Geburt bis zum Tod ein freiwilliger Kreuzweg. Deshalb hat der Heiland sein Kreuz geduldig getragen und ertragen, ohne zu versuchen, sich dessen zu entledigen. Wie gehorsam und wie demütig war er gegenüber dem Willen seines Vaters! Die Stellung Christi zu seinem Kreuz war ein „Ja – Vater“, ein „Dein – Wille geschehe“ und indem er das „Ja – Vater“ sprach, das die vollkommene Gottesergebung ausdrückt, war ihm die göttliche Hilfe in all seinen Leiden gewährt. Die Basis der absoluten Willensergebung Jesu war das unendlich tiefe Vertrauen zum Vater. Eine Last, ein Kreuz das der Vater auferlegt, kommt von seinem liebenden väterlichen Herzen. Alles, was vom Vater ausgeht, geht von seiner unendlichen Liebe und Barmherzigkeit aus. Er schickt ja nur ein ·Kreuz, weil er darin einen besonderen heilbringenden· Schatz· und Segen für uns verborgen hat. Ist nicht das Kreuz mit einem fast unfaßbaren Geheimnis umwoben und erstrahlt nicht nur durch den Schleier dieses Geheimnisses in einem wunderbaren Glanz? Christus ruft: „Folge mir nach!“ Wenn wir seiner Aufforderung Folge leisten, wenn wir unser Kreuz nach seinem Vorbild geduldig und in Ergebung des göttlichen Willens tragen, dann bekommt alles Leid einen tiefen jenseitsbezogenen Sinn: Im Kreuz verborgen liegt das Heil, Kraft, Erlösung, Sieg und Auferstehung. Diesen Sinn hat uns das Kreuz Jesu enthüllt.