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Liebe und Freundschaft
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Du möchtest, dass ich dir erkläre, was Liebe ist. Nun, ich will es versuchen. Aber ich kann dich nur in Ansätzen damit vertraut machen, denn das Tiefe, das Feine, das Innerste der Liebe vermag wohl niemand zu erklären wie z.B. eine mathematische Regel. Warum? – Weil sich ein Geheimnis hinter dem so oft falsch verstandenen und missbrauchten Wort „Liebe“ verbirgt. Ja, Liebe ist ein Geheimnis. Jeder Mensch strebt unwillkürlich danach, dieses Geheimnis zu suchen, da seine Seele zum Guten, zum Unendlichen, zum Vollkommenen drängt. Er will das Gute, folglich ist er fähig zu lieben. Und je tiefer und reiner ein Mensch liebt, desto inniger sein Streben nach dem Vollkommenen.
Der Mensch sieht die Erfüllung dessen, was er ersehnt, in einem „Du“, das ihn ausfüllt. Wenn zwei sich lieben, dann ist dies ein Verstehen, welches über die Worte hinausgeht, eine innere Verbundenheit, die in der Seelenverwandschaft gründet. Die beiden haben Kunde von Dingen, die sie der Außenwelt nicht mitteilen; sie wahren also ein Geheimnis, einen Reichtum, ein Glück, um das nur sie wissen. Die Liebe verklärt ihr irdisches Dasein, sie ist wie ein Vorgeschmack der ewigen Seligkeit im Himmel. Sie erschließt eine neue, unbekannte, von allem Gewöhnlichen und Faßbaren gelöste Welt und bringt auf diese Weise die Liebenden dem Übernatürlichen näher. Die neue Welt wird entdeckt in dem geliebten Wesen: zwei Menschen kommen aufeinander zu, jeder in seiner ihm eigenen Sphäre der Gedanken, Eigenschaften, Wünsche, Gewohnheiten und suchen den Austausch, die Ergänzung und das gemeinsame Moment. Einer öffnet dem anderen seine Welt und beide freuen sich in gemeinsamer Achtung an der Persönlichkeit des geliebten Freundes. Sie werden wach, hellhörig und aufmerksam füreinander, so wie die Liebe, die sich auf den Partner um seiner selbst willen richtet, es ihnen lehrt. Sie suchen Ähnlichkeiten in ihrem Wesen, haben nur Augen für das Gute und Große im anderen, erkennen dessen innerstes sein ohne die Trübung der Sünde und Unvollkommenheit, welche sie in Liebe tragen wie etwas, das eigentlich nicht dazugehört. Liebe ist eben ein Geheimnis, das Symbol einer höheren Welt, wo alle wahre Liebe ihren Ursprung hat.
Gehen wir eine Schritt weiter, um tiefer einzudringen in das, was uns beschäftigt: Liebe ist Hingabe. In diesem einfachen Satz steckt der äußerste Gedanke menschlicher Sehnsucht, um ihn geht alles Sinnen, auch wenn er nicht ausgesprochen wird. Ein bekannter Mann sagte einmal, dass Liebe danach strebe, dem Geliebten gleichförmig zu werden. Was meint er damit?
Der Liebende will nicht sich selbst gehören, möchte sich ganz in den anderen hineinversetzen, in ihn eintauchen, nur ihm gehören. Er sucht die vollkommene Vereinigung mit dem Wesen, das er liebt. Nichts will er für sich selbst tun, sondern alles für den Geliebten. Zwei sich liebende Menschen wollen nicht länger zwei, vielmehr eins sein, und deshalb messen sie allem gemeinsamen Tun so große Bedeutung bei. Hingabe aber verlangt Selbstaufgabe. So mancher Mensch glaubt sich in Hingabe, dabei sucht er nur sich, seinen eigenen Vorteil. Seine Wünsche und Begehren sieht er im Vordergrund, die des Partnern spielen keine oder mur eine geringe Rolle, was dazu führt, dass der Partner, den man zu lieben wähnt, ein Objekt der egoistischen Ausnutzung wird. Leider scheitern viele Beziehungen genau an diesem Punkt, da nicht erkannt wird, dass wahre Liebe –aufgrund der Hingabe- demütig ist, wenn beide Liebenden das Wesen der Liebe erfasst haben, so ist ihre Verbindung ein beständiges Geben und Empfangen; ein Sich-Schenken und Erhalten, ein unausgesprochenes Lieben und Geliebtwerden, die nach ewiger Dauer verlangt und der nichts fremder ist als das Wort „genug“. Echte Liebe kennt kein „Genug“, nur ein „Mehr“ an Hingabe und Vollkommenheit.
Liebe ist nicht nur Hingabe, sie ist auch Kraft. Die Kraft ist gewöhnlich ein Mittel, das man anwenden muss, um etwas Gegebenes zu erhalten. Da die Liebe etwas Gegebenes, nämlich ein unverdientes Geschenk ist, muss der Liebende danach trachten, sie zu bewahren, zu vertiefen, wachsen zu lassen. Ja, Liebe ist nichts Selbstverständliches, sie will gepflegt und behütet sein, und bei allem ist sie es selbst, die dem Menschen die Kraft verleiht, ihr eigenes Wachsen zu ermöglichen. Sie ist in allem das Motiv, edler wie es sonst keines geben kann. Z.B. steht hinter dem Ja-Wort, das ein Ehebündnis besiegelt, die Ja-Kraft zu Ehe, d.h. zu einer unauflöslichen, immerwährenden Verbindung. Diese Kraft gibt die Liebe.
Wahre Liebe ist von Dauer, und sie erhebt Ewigkeitsanspruch. Es heißt: „Der ist kein Liebender, der nicht für ewig liebt.“ Ewig zu lieben, das ist Sehnsucht und Aufgabe aller. Deshalb ist es nötig, immer wieder von neuem anzufangen lieben zu lernen, damit die Liebe mehr und mehr wachse und reife. Sie muss wachsen in dem Bewusstsein, dass sie Aufgabe und Verantwortung beinhaltet, und dass die Liebe zwischen zwei Menschen das Abbild der göttlichen Liebe darstellt, welche vollkommen ist. GOTT gibt die Liebe und ist die Liebe selbst. Wer Gott liebt nimmt teil an seinem Wesen und in dem wächst die Fähigkeit zur Liebe. Fähig sein zu lieben heißt, echte Liebe suchen, halten und sich für sie bewahren zu können. Das heißt auch opfern, ertragen, dulden und leiden.