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Lourdes – Stätte des Friedens
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Viele sind heute vor allem gegen Marienwallfahrten allergisch. Eine Allergie, die scheinbar zunimmt. Besucht man aber einmal einen Wallfahrtsort, so kann man feststellen, daß noch nicht die ganze Christenheit von dieser Krankheit befallen ist.
Das Städtchen Lourdes, am Fuße der Pyrenäen ist heute eines der am meisten besuchten christlichen Heiligtümer. Jedes Jahr kommen mehr als drei Millionen Besucher, Pilger oder Touristen zur Grotte von Massabielle, wo vor 120 Jahren die Gottesmutter achtzehnmal der kleinen Bernadette erschien. Sie finden dort das Wesentliche, was sie oft unbewußt suchen: Manche verweilen nur für die Zeit eines Gebetes, doch eine sehr große Zahl von Pilgern bleibt den ganzen Morgen, einen ganzen Tag oder einige Tage. Sie schließen sich einer Menge Männer, Frauen, Kinder, Kranker, Jugendlicher oder Erwachsener aller Sprachen, aller Länder und Rassen an, denen sie hier begegnen, und die ihnen in ihrem Suchen nach Gott Stütze sind.
Inmitten dieser Verschiedenheit entdeckt man, daß jeder, der an diesem Marienort weilt, eine tiefe Anziehungskraft verspürt, die von der einfachen Neugierde bis zum apostolischen Engagement im Dienste Christi und der Kirche reicht. Wirklich, Lourdes ist ein Treffpunkt, zu dem die Jungfrau Maria Gläubige und Ungläubige führt, um ihnen zu helfen, ihr Leben mit der von Bernadette vermittelten Botschaft der Armut, des Gebetes, der Buße und der Reinheit in Einklang zu bringen. Lourdes ist deshalb ein Mittelpunkt, von dem aus eine belebende Energie auf die Welt ausstrahlt. „In Lourdes ist alles schön, “ sagen gern die Pilger. Bei der Analyse erscheint jedoch die Wirklichkeit von Lourdes komplexer, kontrastreicher. Die Kontraste entdeckt der Pilger auf den ersten Blick: Kontrast zwischen der Stadt und ihren von Menschen wimmelnden, von Hotels und Verkaufsstätten übersäten Straßen mit ihren ununterbrochenen Autoschlangen und den Oasen des Friedens, nahe der Grotte. Kontrast zwischen der Frömmigkeit, die man sieht und spürt und dem sich an den Straßen entlang breit machenden Handel. Ist man in den Bezirk Unserer Lieben Frau vorgedrungen, bleiben die Kontraste nichtsdestoweniger bestehen: neugotische und neubyzantinische Nachbildungen der Basilika der Unbefleckten Empfängnis und der Rosenkranzbasilika, die über das zweckmäßige und strenge Oval der Basilika Pius X. dominieren.
Noch viel packender aber ist die überall wahrnehmbare Gegenwart der Kranken inmitten der Gesunden, das unaufhörliche Vorbeiziehen von auf Tragen und kleinen Wagen Liegenden, behinderten Kindern, Kranken aller Art, deren Gesichter trotz aller Schmerzen eine unbeschreibliche Freude ausstrahlen. Es ist bewundernswert, daß diese Kontraste gewissermaßen verschwinden, nicht neutralisiert, sondern beherrscht werden, in dem Maße, als man sie mit dem Ereignis in Beziehung bringt, das 1858 das Städtchen Lourdes ins Gespräch brachte und mit Unserer Mutter, die an einem Februartag desselben Jahres einem kleinem Mädchen erschien, um es zu bitten, alle Menschen zu einer einzigen Prozession zu vereinigen. Das Leben der heiligen Bernadette war geprägt von einem tiefen und festen Glauben an die Gottesmutter. Bei jedem Schritt, bei jeder Begegnung hört man heute noch die Worte, die das Leben Bernadettes gezeichnet haben. Man hört sie bei jeder Zusammenkunft bei den Kranken. Es ist die Sprache des Herzens. Hier spricht man diese Sprache des ersten Pilger von Lourdes. Sie ist Brauch zwischen den Pilgern, die von allen Himmelsrichtungen kommen und eine große Familie bilden. Man spricht die Herzenssprache, ohne die Lippen zu bewegen. Ein Fremder legt die Decke an ihren Platz zurück, die einem Kranken wegrutschte, vielleicht ohne sich dessen bewußt zu sein. Der Blick des Helfenden sagt: Du hast mir nicht zu danken, wir gehen an denselben Ort. Das ist die Sprache des Herzens, die jeder versteht und die mehr auszudrücken vermag als alle großen Worte.
Die Herzenssprache wird noch intensiver, wenn man an der Grotte kniet und sich von den liebenden Armen der Hl. Jungfrau umfangen läßt. Es ist als höre man Sie sprechen: „Tut Buße!“ – Der Anruf und die Gabe von Lourdes sind eine Rückkehr zu Gott, eine sanfte und doch radikale Umkehr. “Betet für die Sünder!“ – Lourdes ist Stätte des Gebetes. Hier betet man lange Zeit, auf den Knien, mit ausgebreiteten Armen, allein oder in einer ungeheuren Menschenmenge, ohne Menschenfurcht.
Man hört eine Stimme: Komme nicht nur für dich, um zu bitten, sondern mach weit dein Herz und geh mit allen in diesen Ozean des Flehens ein und bete für diese Welt, in der man nicht mehr zu beten weiß. „Ich will, daß man in Prozessionen kommt!“ – Hier ist man in der Menge und sieht all diejenigen, die ebenfalls angekommen sind, um Christus in der hl. Hostie mit herrlichen und erhebenden Gesängen zuzujubeln. Man nimmt die vielen Kranken wahr, die sich in Lourdes zuhause fühlen und ihre Schmerzen vergessen. „Ich bin die unbefleckte Empfängnis.“ – Nun ist der Pilger am Ende der Wallfahrt, vor der Dame, die ihm zulächelt und ihn durchdringt mit ihrer sanften Gegenwart. Lange muß man schweigen und sie betrachten, die reine Jungfrau und Mutter, deren große Liebe zu uns durch keine einzige Sünde geschmälert wurde.