Unsere Mediathek
Schulwissen und Glaube
Erschienen in:

„Was ist eigentlich Mathematik?“ fragte ein mir persönlich gut bekannter Student eines Tages nach der Mathematikvorlesung seinen Professor. Es war Prof. Jörgens von der Uni München, ein Name von Rang in der Fachwelt. „Ah, wissen Sie“, antwortete der sehr kurz, „das Ganze ist nebulos.“ (nebulos = nebelhaft, schleierhaft)
Das Ganze ist nebulos. Mit diesem Wort hat der Professor meines Erachtens ebenso knapp wie treffend die Situation unserer so hochentwickelten Wissenschaften und unseres so fortschrittlichen Schulwissens gekennzeichnet. Über dem Ganzen, dem Woher und Wohin des Menschen überhaupt, liegt weitgehend der Schleier des Unwissens, aber in Einzelheiten, da sind wir stark; unsere Lehrbücher, unsere Schulen und Universitäten sind voll von Einzelwissen über alle möglichen Details und Teilgebiete, sie speichern eine Unmenge Daten über die winzingsten Elementarteilchen im Mikrokosmos, über die fernsten Sterne im Makrokosmos, über längst erloschene Kulturen, eine Unmenge Daten aus Sprach-, Psycho- und Sozioanalyse, aus Forschungen übers Erdinnere und über die Entstehung des gesamten Kosmos. Kenntnisse über Kenntnisse.
Ein Mensch kann das unmöglich aufnehmen. So spezialisieren wir uns – und das nicht erst auf der Uni. Schon auf dem Gymnasium: In der Oberstufe wählt man heute zwei Spezialkurse (Leistungsfächer), in der Mittelstufe wählt man den sprach-, mathematik-, musik- oder wirtschaftsbetonten Schultyp. Sogar in der Grundschule haben wir schon viele Fachlehrer, und vielleicht gibt’s bald Kindergärten mit Schwerpunkt Physik, Graphik oder Politik.
Das Ganze aber ist nebulos.
Die moderne Entwicklung des Schulwesens – so scheint mir – geht immer mehr den Weg einer Trennung, und zwar einer Trennung in mehrfacher Hinsicht:
Einmal Trennung des Einzelwissens vom Ganzen: Nicht die Wahrheit, sondern viele Einżelwahrheiten. Fachwissen statt Bildung.
Dann Trennung von Glaube und Wissen. Wohl oder übel. Denn der Glaube geht auf’s Ganze, auf die ganze Wahrheit, auf Ursprung, Wesen und Ziel alles Sichtbaren und Unsichtbaren. Das Ganze aber ist nebulos. Auch der Religionsunterricht ist davon angekränkelt. Er lehrt nicht mehr die Religion, die wahre Verbindung mit Gott im Beten und Tun, sondern Religionen, die katholische Religion mehr oder weniger gleichberechtigt neben anderen Religionen, Kenntnis der verschiedenen Gottesvorstellungen genügt – bloße Betätigung von Verstand und Gedächtnis.
Schließlich auch Trennung von Leben und Wissen. Das Leben ist ja nicht nur Betätigung von Fachwissen, Verstand und Gedächtnis, sondern auch und vor allem Wille, Gefühl, Herz.
In der Bayerischen Verfassung heißt es noch: Die Schule soll nicht nur Wissen und Können, sondern auch Herz und Charakter bilden. Als unser Seminarlehrer uns Referendaren diesen Satz vorlas, erntete er mildes Gelächter.
Das gelernte Wissen wird zur bloßen Information. (Am deutlichsten ist dies zu sehen beim Versuch, ein so haut- und lebensnahes Thema wie Geschlechtlichkeit rein informativ zu bringen.)
Was ist da zu tun?
Der Glaube und nur der Glaube – ich habe es schon angedeutet – gibt dir das Ganze, das tiefste Woher, Warum und Wozu. Was nützt es dem Menschen, wenn er die Welt besitzt, dazu alle Wissenschaften und Technik, aber an seiner Seele Schaden leidet, nicht weiß, was das Ganze bedeutet, was der Sinn des Ganzen ist.
Was ist all das Schulwissen, all die Fachinformation gegen das schlichte Herzenswissen: der Vater im Himmel liebt mich. „Ich sehe alles als Verlust an um der alles übertreffenden Erkenntnis Christi Jesu willen, meines Herrn“, sagt der hl. Paulus (Phil. 3,8).
Sollst du also ab morgen der Schule fernbleiben, Ferien machen, in die Wüste gehen und dort die Liebe Gutes meditieren?
Wenn du’s kannst, bitte! Wenn nicht, dann bleib an deinem Platz, der Herr hat Ihn dir gegeben. Er hat dir zum Schulwissen hinzu den Glauben gegeben; preis ihn dafür, danke ihm, dass er dir geschenkt hat, was vielen Klugen und Weisen, Doktoren und Professoren verborgen ist. Sei ein tüchtiger Schüler – gerade du! Denn gerade du weißt ja, für wen und wozu du letzten Endes alles machst, nämlich zur Ehre Gottes! Vielleicht will der Herr durch dich auch deinen Mitschüler zur alles überragenden Erkenntnis Seiner selbst führen.