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Wer es fassen kann… die Berufung
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Ein jeder von uns wird ganz persönlich angesprochen von Gott. Gott ist der, der alles schuf aus Nichts, der Allmächtige, Allgewaltige, Heilige, der König der Könige und Herr der Herren. Dieser Gedanke setzt uns in anbetendes Staunen: Wie kann Er nur, der Große, mich rufen in seinen Dienst? Gleichzeitig aber durchströmt uns freudige, erlösende Hoffnung: Er weiß, was Er tut. Ruft Er mich schwachen, unheiligen, unreinen Menschen, so, weil Er mächtig ist, mich zu heiligen, zu reinigen und zu stärken. Lernen wir von den Sternen am Himmel, von denen der Prophet Baruch sagt: „Froh leuchten die Sterne auf ihren Posten; Er ruft sie, und sie sprechen: „Hier sind wir“. Sie leuchten mit Freude für den, der sie schuf“. Tiere haben keine Berufung. Warum? Man kann sie rufen, aber sie geben keine Antwort, weil sie nicht verstehen. Sie tun das, wozu ihre Natur sie anhält. Der Mensch dagegen hat Verstand und Wille: Er versteht, was man ihm befiehlt und kann zustimmen oder ablehnen. Es ist nun allgemein so, dass Gott die Natur nie vergewaltigt. Bestimmt Er einen Menschen zu einem Dienst, so ruft Er sie zuerst auf und wartet auf ihre freie Antwort. Es ist also von höchster Wichtigkeit, seine Berufung zuerst zu erkennen. Gott bricht nie wie ein totaler Schicksalsschlag über uns ein und führt mit uns etwas aus, was wir weder erkennen noch wollen. Das erste also, was die Gnade in uns wirkt, ist die Erkenntnis unserer Berufung. Wir sind so imstande, eine Tatsache besser zu verstehen, die viele schwer begreifen: Wenn doch Gott- so fragt man sich- schon zuvor weiß, was Er mit mir tun will, wie kommt es, dass ich in der Kraft des Gebetes und der Freude so lange verharren muss, Umstände und Beweggründe erwägen muss, um nach so großer Mühe genau das zu erkennen, was Gott schon seit Ewigkeit wusste und um genau das zu wollen, was Gott seit Ewigkeit für mich wollte. Wir können darauf antworten: Weil Gott auch dieses wollte, nämlich, dass ich durch eigenes Nachdenken, unter Umständen nach langem Kämpfen und Ringen mit mir selber mich frei und vernünftig entscheide, das zu wollen, was Er, mein guter Vater und Schöpfer, der mich ja am besten kennt, von mir will. Gott will, dass ich also zuerst erkenne, was Er mit mir tun will. Er ruft mich und ich muss mit dem jungen Samuel antworten: „Herr, sprich, Dein Diener hört“. (2. Sam. 3,10). Deshalb betet auch der heilige Paulus für die Gläubigen in Ephesus, Gott möge ihnen lichthelle Herzensaugen geben, damit sie erkennen, was das Hoffnungsziel ihrer Berufung ist, was der Reichtum der Herrlichkeit Seines Erbgeschenkes ist, welcher die überwältigende Größe Seiner Wirkkraft ist an den Gläubigen. (Eph. 1,18 pp).
Nun gibt es innerhalb der Berufung mehrere Stufen. Es gibt eine allgemeine Berufung, die Berufung schlechthin zum katholischen Glauben. Die besondere Berufung dagegen betrifft den Einzelnen, insofern er von Gott zu diesem oder jenem Stand, zu dieser oder jener Lebensweise berufen ist. Ganz speziell versteht man aber unter Berufung des Aufruf Gottes an einen Menschen zu einem ganz erhabenen, mit Christus auf Innigste verbundenem Leben: die Berufung der Ordensmänner und Ordensfrauen und die Berufung zum Priestertum.
Die Berufung zum Glauben ist groß, ein Beweis der Güte Gottes. Die Liebe, in Jesus Christus Mensch geworden und um unser Heiles willen gekreuzigt, ruft uns: Kommet alle zu mir. Diese Liebe, die Christus selber ist, ist eine barmherzige Liebe: Wir werden ja geboren als elende Kinder Evas und bedürfen eines göttlichen Retters, der uns vom Elend zur Fülle unsterblichen Besitzes ruft. „Aus der Ferne erschien uns der Herr: Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum ich dich erbarmend an mich gezogen.“ (Jer. 31,3). Das ganze Neue Testament ist ein einziger Jubel, der die Herrlichkeit Christi besingt und uns glücklich preist, weil wir berufen sind, in Ihm zu sein, um in Ihm Herrlichkeit, Ehre, Macht und unsterbliches, unvergängliches Leben zu erhalten. Freuen wir uns in der gläubigen Gewissheit, dass der Gott aller Gnade, der uns durch Jesus Christus berufen hat zu einer ewigen Herrlichkeit, uns, die wir eine kurze Zeit leiden müssen, auch vollenden, stärken und auf festen Grund stellen wird. (1. Petr. 5,10). Diese Berufung, Kind Gottes zu sein, dem vielgeliebten Sohn des ewigen Vaters gleichgestaltet zu werden, ist groß. Jede besondere Berufung ist bloß eine Entfaltung und vertiefte Fortwirkung der Kraft, die in dieser ersten, allen Menschen guten Willens zukommenden Berufung enthalten ist.
Betrachten wir nun noch die Berufung zur näheren und unmittelbaren Nachfolge Christi in der Berufung zum Ordensleben. Wie schon gesagt, bezeichnet sie eine tiefere Teilnahme an der Gnade Christi, an der auch alle Christen teilhaben. Denn alle haben ja an der Überfülle Christi geschöpft, Gnade um Gnade (Joh. 1,16). Aber Gott wollte Menschen erwählen, deren Leben ein einziger Widerstrahl der Schönheit des göttlichen Lebens ist. Wer sich nicht berufen fühlt, nehme kein Ärgernis daran: er staune vielmehr über die Güte des Heilandes, der seinen Sieg über die Welt dadurch beweisen will, dass er einige seiner Kinder eine so innige Liebe einhaucht, dass sie freudig auf alles verzichten, in einem Leben der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams. In dieser vollkommenen Absage an die Welt und Hingabe an Gott beten sie, leiden sie, opfern sie für die Menschen, die im Strudel der Welt stehen. Wer ist berufen? Nicht alle. Wer erkennt dies? Christus sagt uns schlicht und einfach: „Nicht alle können es fassen.“ (Mt. 19/11) Er tadelt damit keineswegs die, die es nicht fassen können, dass man um des Himmelreiches willen auf die Ehe verzichten kann. Aber nichtsdestoweniger richtet er eine eindringliche Aufforderung an die, die fähig sind, es zu fassen. „Wer es fassen kann, der fasse es.“ Wer die Kraft hat, es zu fassen, soll es auch wirklich fassen, indem er nachfolgt und die Anhänglichkeit an die Geschöpfe ablegt, wozu uns der hl. Apostel Paulus mahnt (1. Kor. 7,29). Paulus verwendet dieselbe rücksichtsvolle und feine Ausdrucksweise. Er sagt, es ist zwar nichts Schlechtes zu heiraten (Kor. 7,28), wer heiratet, sündigt nicht, aber es ist aus vielen Gründen vollkommener, unverheiratet zu sein, um ungeteilt für die Sache des Herrn sein zu können.
Das Evangelium berichtet uns von einem traurigen Vorfall. Ein reicher Jüngling war berufen, Jesus nachzufolgen und er wies den Ruf Christi zurück aus Anhänglichkeit ans Geld. Er trat an Jesus heran und sprach: Meister, was muss ich Gutes tun, um das ewige Leben zu erlangen? Christus gibt ihm eine Antwort, die sich an alle Menschen richtet, die das Heil erlangen wollen „Halte die Gebote.“ Der Jüngling war damit nicht zufrieden, es drängte ihn zu höherer Vollkommenheit. Er antwortete: „Das alles habe ich beachtet“, aber zeigte gleichzeitig unmissverständlich an, dass seine Sehnsucht noch nicht gestillt war. „Was fehlt mir noch?“, fragte er weiter. Jesus erwiderte: „Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe deine Besitzungen und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben. Dann komm und folge mir nach!“ Dieser Jüngling wäre also in der Lage gewesen, es zu „fassen“; es standen ihm keine unüberwindlichen Hindernisse im Weg, die ihn gehindert hätten, alles herzugeben: Er brauchte nicht für Vater und Mutter zu sorgen; hätte er sich Christus angeschlossen, hätte er gegen keine Pflicht der Nächstenliebe verstoßen. Er war also frei, er konnte verfügen. Die Pflichten, die ihn bisher zu Dienstleistungen im Gefüge der Gesellschaft verpflichteten, konnte ein anderer an seiner Stelle ebenso gut übernehmen. Der Evangelist Markus fügt hinzu, dass ihn Jesus liebend anblickte. Der Blick Jesu ruhte auf ihm, drang in seine Liebe, um diese zu einer ausschließlichen Wohnstätte Gottes zu machen. Wie viele Junge Menschen haben sich schon gewehrt, wenn Jesus sie ansieht und lockend ruft; „Wenn Du willst.“ Möge es bei uns nicht so sein, wie diesem Jüngling: „Er ging traurig von dannen, denn er besaß viele Güter.“
Wir wollen uns also immer wieder bemühen, die Schönheit unserer Berufung zu erkennen. „Er hat uns erlöst und seinen heiligen Ruf an uns ergehen lassen, nicht aufgrund eigener Werke, sondern gemäß seinem eigenen Ratschluss und der Gnade, die Er uns in Christus Jesus verliehen hat -schon von ewigen Zeit- die aber jetzt geoffenbart worden ist durch das Erscheinen des Erlösers Jesus Christus.“ (2. Tim. 1,9)
Diese Berufung macht uns zu Kindern Gottes und Erben der himmlischen Güter. Dann aber wollen wir weiter gehen, forschend erspüren und bittend erfragen, in welchem Stand oder wenn dies entschieden ist oder im Moment noch nicht entschieden werden kann, in welcher Lebensweise sich die göttliche Majestät unser zu bedienen wünscht. Was soll ich tun, um auf meine mir mögliche Weise meinem Herrn am besten dienen zu können? Denken wir nicht klein von uns, denn der uns liebt, ist mächtig. Schönes und über alle Maßen Erhabenes will Er uns schenken: „Meine Lieben, jetzt sind wir bereits Kinder Gottes; aber noch nicht ist offenbar, was wir sein werden. Wir wissen nur, wenn Er sich offenbart, werden wir Ihm ähnlich sein, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist. Und jeder, der diese Hoffnung auf ihn hat, der heiligt sich, wie auch jener heilig ist.“ (1. Joh. 3,2)